Myrtax XVI - Haltbar gemachte Eltern

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24. Cervore 7347 Vierte Ära NL

Sonnenuntergang

Myrtax

 

 

"Du bist früh dran.", sprach eine leise Stimme aus den Tiefen der Laken und Decken, erschreckte Myrtax so sehr, dass er beinahe das frische Geschirr mit Tee, Brot, Honig und Aufschnitt fallen ließ. Er konnte es gerade eben noch so bewerkstelligen, das Tablett mit einer linkischen Drehung wieder in seine Arme gleiten zu lassen.

"Ja, Herr.", antwortete er rasch und verneigte sich in die ungefähre Richtung seines Herrn Jilal, der sich nun aufrichtete und erstaunlicherweise bekleidet war. "Ihr sagtet, ich solle früher kommen."

"Ich hatte dich nur nicht so früh erwartet." Jilal schaute nach unten, strich seiner Frau Marseille durch die Haare und schien für einen Moment zärtlich und beschützend. Als würde er sich langsam in sie verlieben. Myrtax hätte es beinahe niedlich gefunden, wenn er den Anblick von beiden Vampiren, ausgeweidet kopfüber hängend, nicht wesentlich besser gefunden hätte.

Zum Glück hatte man Myrtax noch nicht beim Diebstahl der Altvorderen-Bücher erwischt, auch wenn einige der dickeren Bände nun woanders aufbewahrt zu werden schienen. Myrtax hatte die Vermutung, dass einer der Bibliothekare Verdacht geschöpft hatte, womöglich bei einer der Inventuren, die Myrtax nun auch endlich mal gesehen hatte. In dem Zeitraum war die Bibliothek für mehrere Tage geschlossen, was es ihm unmöglich gemacht hatte, sein aktuell gelesenes Werk unerkannt zurückzubringen. Vielleicht war es deshalb aufgefallen.

"Stell es einfach hin und warte am Tisch.", befahl Jilal leise, beugte sich herab zu seiner Marseille und flüsterte ihr etwas zu. Sie antwortete müde und er lachte leise. Myrtax stellte das Tablett nahezu geräuschlos auf den niedrigen Tisch neben dem Bett und stellte sich neben die große Tafel auf der - von der Tür aus gesehenen - rechten Seite des runden Raumes und wartete.

Er wartete, während Jilal Marseille mit Küssen überhäufte, seltsam sanft zu ihr war, sie sogar fütterte und sich dann von ihr füttern ließ. Irgendetwas schien der Sklave in den letzten Wochen verpasst zu haben. Das war nicht der Jilal, der sie normalerweise mit harten Worten und teilweise noch härteren Schlägen auf den Hintern traktierte. Das war ein völlig anderer Jilal. Oder er war nur im Moment so und würde sich in der Dauer von wenigen Herzschlägen wieder verändern. Seltsame Dinge geschahen hier.

Er wartete, als sie sich liebten, Marseille oben, durch Jilals Haare fahrend und er wartete, als sie sich wuschen und danach speisten.

"Nun denn." Jilal tupfte sich den Mund mit einem seidenen Taschentuch ab, was Myrtax mehr als verschwenderisch ansah. "Wir haben etwas vor morgen und du wirst uns helfen, kleines Menschlein."

Myrtax spürte den Stich des Stolzes. Er war nicht klein, er war beinahe neunzehn Sommer alt, Infernalé noch eins!

"Selbstverständlich, Herr." Myrtax verneigte sich steif aus der Hüfte. "Was kann ich für Euch und Eure Gemahlin tun?"

"Du erinnerst dich an den Sklaven?", säuselte Marseille, stützte sich mit den Ellbogen auf dem dunklen Tisch ab, was ihren Ausschnitt noch mehr betonte. Für jeden anderen Vampir war es sicherlich aufreizend, aber für Myrtax nur irritierend bis absonderlich. Er wusste, dass es aufreizend wirken sollte, aber die beabsichtigte Wirkung prallte an ihm ab.

"Welcher Sklave, Herrin Marseille?"

"Na, dieser Sklave." Sie grinste schelmisch.

"Oh." Bei Myrtax fiel der Silberbarren. "Dieser Sklave. - Ja, ich erinnere mich. Wollt Ihr ihn aus dem Anwesen herausholen?"

"Ha, nein.", schnaubte Jilal, klopfte auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit von Myrtax auf sich zu lenken. Nicht, dass das nötig gewesen wäre. "Wir... nun, ich finde, es ist an der Zeit, dass die Schatzmeister einen neuen Schatzmeister erhalten. Natürlich ohne die ganze Blutverschwendung, wir wollen meinen Eltern doch nichts Böses."

"Mein Herr?" Myrtax zog die Stirn kraus, ihm wurde etwas kalt, weil er die Frage stellen wollte. Weil er sie stellen musste. "Ich...wenn wir mit Euren Eltern machen, was Ihr mit dem Sklaven gemacht habt, was werdet Ihr dann mit mir tun?"

"Mit dir?"

"Ja, Herr. Ich weiß darüber Bescheid. Über die Pläne, die Ausführung. Werdet Ihr mich dann töten oder als Euren Blutsack benutzen?"

"Pft." Jilal schnaubte. "Was erlaubst du dir für eine so seltsame Frage?"

"Verzeiht, Herr, aber ich möchte es wissen. Dann kann ich vielleicht noch ein paar meiner Habseligkeiten verteilen; die wenigen, die ich habe."

"Warum sollten wir dich töten?" Jilal zuckte mit einer Schulter. "Niemand wird dir glauben und wenn doch, töten wir einfach denjenigen, der uns in Verruf bringt. Niemand glaubt einem verlausten Sklaven. Nicht, dass du Läuse hättest, das wüssten wir."

"Aber... nun, ich verstehe, dass Ihr mich nicht tötet, aber was ist mit..."

"Meinen Eltern?" Jilal schnaubte wieder, sein spärlicher Bartwuchs zuckte bei dem plötzlichen Windstoß. "Sag ihnen einfach, dass alles in Ordnung ist und ich mich lieber in den Laken wälze als meinen magischen Talenten zu frönen." Er schaute Marseille kurz an, die nur eine schöne Schulter hob.

"Bleib einfach unser vertrauter Leibsklave.", lächelte Jilal. "Mir ist es gleich, ob du weißt, was wir treiben. Meinetwegen kannst du dir auch zwei Bettsklaven nehmen und einen, der dich wäscht. Für deine Dienste. Lies Bücher, sauf und friss, wenn du magst. Nur sei uns zu Diensten. Meine Mutter hat dir einen Finger genommen, ich hätte dir nur in den Hintern getreten."

"Oder mich ausgesaugt."

"Möglich." Der Vampir lächelte, zeigte seine Fangzähne. "Aber bei meinen Eltern wirst du auf jeden Fall sterben. Meine Mutter benutzt dich nur."

"Ihr auch, Herr."

Das Lächeln gefror. "Ja, völlig korrekt. Nur bei mir bist du sicherer als bei meinen Eltern."

Myrtax neigte den Kopf nachdenklich auf die eine, dann auf die andere Seite. "Zugegeben, da habt Ihr Recht, Herr." Er ignorierte dabei den Hinweis auf die Sklaven, die ihm zur Verfügung stehen würden.

"Wir werden auch deinen Sklavenring verbessern.", summte Marseille, blickte ihn beinahe gierig an. "Reines Silber. So nahe an einem Vertrauten, wie ein menschlicher Sklave nur kommen kann. Und wenn du uns die Treue schwörst, blase ich dir auch einen."

Myrtax schluckte und errötete bis in die Haarspitzen. "Ich...äh, Herrin, Ihr wisst, dass das...schwierig wird..."

"Jaja.", grinste die Vampirin. "Ich mache es trotzdem."

"Unabhängig von den Lippen meiner Frau, hilfst du uns nun?", fuhr Jilal dazwischen, warf Marseille einen Blick zu, der sie eine Schnute ziehen ließ.

"Ich...dürfte Bücher lesen?", fragte Myrtax vorsichtig, hörte ein sanftes, erfreutes Lachen in seinem Hinterkopf. Manchmal fragte er sich, ob er mittlerweile verrückt wurde.

"Du dürftest."

Myrtax lächelte vorsichtig. "Dann helfe ich Euch, Herr. Wobei eigentlich?"

 

 

 

"Erstaunlich." Die hübsche Sklavin vor Myrtax begutachtete ihn kritisch, zupfte an dem weißen Tuch an seinem Hals herum, welches aus dem steifen Kragen an seinem Hals wie ein Fächer hervorsprang und sich über seine Brust ergoss.

"Was ist erstaunlich?", fragte Myrtax, ohne den Mund zu bewegen, was seine Aussprache sehr vernuschelte.

"So viel Luxus für ein einfaches Abendessen.", erwiderte die Frau irritiert, zog an seiner schwarzen Weste, an der aus einer Tasche eine einfache Goldkette herausfiel und sich an einen seiner Knöpfe heftete. "Du siehst aus wie ein persönlicher Diener. Also, vampirischer Diener."

"Danke, ich verzichte.", grummelte Myrtax. "Dass man darin eigentlich atmen soll, haben sie wohl vergessen beim Schneider?"

"Das soll so sein." Sie prüfte den Sitz seiner gebügelten Hose und ließ ihn dann in die schwarz glänzenden Lederschuhe schlüpfen. Auch diese waren viel zu eng und würden sich erst im Laufe der Wochen einlaufen. Am heutigen Abend würde er sicher Blasen davon bekommen.

"Kinder, du siehst zum anbeißen aus.", kommentierte die Sklavin, die um ein Vielfaches älter war als Myrtax, bestimmt dreißig Sommer. "Die Herrschaften werden zufrieden sein." Sie schnippte einmal herrisch mit den Fingern und die beiden jüngeren Sklavinnen legten Myrtax einen schwarzen Umhang über den Rücken und verschlossen ihn vor seiner Brust mit einer verzierten Schließe aus Messing.

"Wozu ein Umhang?" Myrtax machte sich keine Gedanken darum, warum er einen Umhang anziehen sollte, sondern eher darum, dass es trotzdem immer noch mitten im Sommer war und die Nächte nicht so kühl wie erwünscht.

"Der Herr Jilal wünscht es so, er meinte, es passe zum Abend."

"Ich beschwere mich nicht."

"Würde ich dir auch nicht raten, da du die Kleidung behalten darfst." Sie schaute Myrtax von oben bis unten an, rückte seine Fibel noch etwas zurecht und nickte. "Geh, es wird Zeit."

"Habt vielen Dank." Myrtax neigte rasch den Kopf, um ihnen seine Dankbarkeit zu zeigen, bevor er in den ungewohnt steifen Schuhen dem Weg aus seinem Zimmer heraus und nach oben zum Gemach des Ehepaares nahm.

Er klopfte und beinahe sofort öffnete sich die Tür, offenbar durch einen Zauber, denn Jilal und Marseille waren bis auf zwei Ankleidedamen allein.

"Schau mal, wie gut er aussieht.", raunte Marseille ihrem Mann zu. Marseille trug ein hochgeschlossenes Kleid aus rotem Samt mit schwarzen Akzenten an Armen, Hals, Brust und Beinen. Ihre Füße steckten in schwarzen Sandalen und um den Hals trug sie eine Kette aus Onyx, die mit den ebenso aus Onyx bestehenden Ohrringen spielte. Sie sah verflucht elegant aus, das musste Myrtax zugeben.

Jilal tat es ihr gleich, sein langer Umhang aus Samt war nachtschwarz, seine Hose genauso, aber das Hemd strahlte in einem blutigen Rot, zusammengehalten von goldenen Ketten vor der Brust, seine obere Brust und ein Teil der Schultern lag frei.

"Für einen Menschen.", brummte Jilal, ließ sich einen goldenen Armreif anlegen, strich seine Kleider glatt. "Aber eine gute Investition für einen höheren Zweck."

Myrtax verneigte sich schwungvoll, sodass sein Mantel einen nicht ganz so eleganten Schwung zur Seite tat. Nun, das müsste er noch üben.

"Eine wunderbare Wahl und ich danke Euch von Herzen.", sprach Myrtax aufrichtig dem Boden zu, bevor er sich wieder aufrappelte. "Bessere Kleidung hätte ich mir kaum wünschen können."

"Nein, wohl nicht." Jilal machte eine scheuchende Handbewegung, als auch Marseille ihren hüftlangen Überwurf mit einer silbernen Kette umgehängt bekam. Die beiden Ankleidedamen verschwanden nahezu geräuschlos. Anhand ihrer Halsbänder war zu erkennen, dass es Diener waren, keine Sklaven.

"Wir wären dann soweit.", lächelte Marseille, küsste ihren Ehemann, der den Kuss erwiderte. Myrtax hatte offenbar wirklich etwas verpasst, dass sie beide so miteinander umgingen. Oder war es die Aussicht auf die gemeinsame Macht, die sie miteinander verband?

"Ich bereite alles vor." Myrtax verneigte sich wieder. "Werft noch einen Blick auf die Gärten, bevor wir uns wiedersehen, bis dahin habe ich alles vorbereitet."

"Das will ich dir geraten haben.", grinste Jilal ihn an, sein spitzer Eckzahn trat hervor und Myrtax schluckte, bevor er sich wieder rasch verneigte und den Weg aus dem Baumanwesen nach unten in die Gärten nahm, die sich westlich vom Anwesen befanden, nur wenige Dutzend Meter von dem großen Baum entfernt.

Unten war es erstaunlich kühl und er war froh über seinen Mantel, den er nun trug. Darunter hätte er gut ein langes Messer verstecken können. Schade, beim nächsten Mal. Ob er Jilal um einen einfachen, etwas weniger teuren, Mantel bitten sollte?

Wie dem auch sei, er hatte nun andere Dinge im Kopf.

Der junge Sklave manövrierte durch die hohen Hecken, die von duftenden Blumen flankiert wurden. Überall roch es süß bis herb; Bienen, dicke Hummeln und vierarmige Falter surrten durch die Luft; leise raschelte der Wind in den Ästen.

Nach wenigen Minuten kam er dann endlich aus dem Gewirr der Hecken heraus und begutachtete das vor ihm liegende Werk.

Diener hatten zwei Tische in den rechteckigen Bereich gebracht, der nur zwei nebeneinanderliegende Eingeänge besaß. Die Tische standen sich gegenüber und waren ebenso wie die Stühle aus dunklem, verschnörkeltem Eichenholz. Keines der Möbelstücke sah besser aus als das andere und alle waren identisch, sodass niemand sagen konnte, wer wo saß und wie priorisiert war.

Genau gegenüber der Heckendurchbrüche an der linken und rechten oberen Ecke waren zwei runde Pergolen angebracht, die eine Rundung schufen, in der Blumen an den Seiten und über Kopf wuchsen. Direkt darunter stand jeweils eine fast schmucklose Bank aus dunklem Holz, wenn man von der kunstvoll gewachsenen Rückenlehne absah. Die Bänke waren mit weißen Leinentüchern verdeckt, damit niemand auf die Idee kam, sich darauf zu setzen. Myrtax vermutete, das es besonders für die Dienerschaft galt.

Direkt vor Kopf stand ein weiterer Tisch, auf dem sich Speisen unter silbernen Essensglocken befanden. Ein Koch in weiß stand an einer kleinen Feuerstelle und kochte darauf gleich drei Gerichte gleichzeitig, um den Geschmack der Vampire direkt treffen zu können. Myrtax fand es Verschwendung, Essen nur auf Verdacht zu kochen, aber es war nicht sein Geld. Ob er vielleicht von den Resten kosten durfte? Die Belegschaft der Küche durfte dies.

Auf einer Unterlage aus Holz lagen ein paar Felldecken für den Fall, dass den hohen Herrschaften kalt werden würde. Myrtax bezweifelte es.

Acht Fackelhalter waren gleichmäßig an den Hecken verteilt und entzündet worden, sodass sie ausreichend Licht hatten.

Zu guter Letzt stand am Kopfende des rechten Tisches - Myrtax wusste, dass dort Jilal und Marseille sitzen würden - zwei Rundtische mit Karaffen und Gläsern darauf. Eine schmale Schatulle aus Holz schmiegte sich an die Karaffen und Myrtax wusste genau, was diese Schatulle enthielt.

Seine Aufgabe war es heute, den Herrschaften Getränke zu bringen.

"Alles vorbereitet?", fragte er den untersetzten Diener, der am Speisentisch stand und seltsam nervös wirkte. Dabei war es doch eigentlich ein Essen wie jedes andere. Zumindest für die Diener. Und außer Myrtax waren es auch alles Diener. Ein Umstand, den er seinem Status verdankte.

"Ja, alles vorbereitet.", nickte der Diener, seine streng nach hinten gekämmten Haare bewegten sich kein Stück.

"Gut." Myrtax atmete aus und versuchte sein nervös schlagendes Herz zu beruhigen. Heute hatte er hier die Kontrolle, heute war er an der Reihe mit der Macht. Ein merkwürdiges Gefühl.

Langsam ging er um die Getränke, die Speisen und die Feuerstelle herum, roch an den Töpfen und täuschte vor, dass er wüsste, was er gerade tat, als er leises Gekicher hörte und Jilal mit Marseille am Arm in den Ruhebereich trat. Myrtax nickte ihm rasch zu, der Vampir blinzelte nur. Mehr war nicht nötig und wäre auch gefährlich gewesen, denn direkt hinter dem Paar kamen Rovinna und Simar, beide in einen Traum aus Blau gekleidet und für Vampire sogar erstaunlich züchtig, auch wenn Rovinna mehr Bein zeigte als Marseille.

"Mutter, Vater, es ist mir eine Ehre, euch hier willkommen zu heißen.", sprach Jilal, hob mit seiner Hand die von Marseille mit an und sie grüßten das ältere Ehepaar und Schatzmeister der Lachlidan.

"Eine Freude." Simar neigte den Kopf, tat aber nicht mehr und auch nicht weniger. "Nur woher die Umstände der Einladung? Wäre es nicht einfacher gewesen, uns zum Essen zu laden, anstatt opulent aufzutischen?"

"Aber wie könnte ich weniger von dir oder Mutter erwarten, als dass ihr zu einem opulenten Essen kommt, wo ihr mir doch so viel gegeben habt?"

Myrtax schluckte. Das zielte sicherlich auch auf seine Brandnarben auf der linken Seite seines Kopfes, die Jilal nur mäßig übertünchen konnte mit Salben und Puder. Ob seine Eltern wussten, dass er ihnen noch grollte?

"Darf ich fragen?" Rovinna war nun auch neugierig, ihr Blick wanderte über den emsigen Koch über Myrtax, die Getränke und ihren Sohn und seine Ehefrau. "Was hat das zu bedeuten?"

"Wie ich sagte, ich wollte euch danken. Für mein Dasein als euer Sohn, für meinen emsigen Sklaven, für meine wunderhübsche Ehefrau und all die Gelegenheiten, zu lernen und mich zu entwickeln. - Aber bitte, nehmt doch Platz, lasst uns darauf anstoßen. Myrtax, der Eiswein. Und lass ihn dieses Mal nicht fallen."

"Ja, Herr." Myrtax verneigte sich und goss aus einem bauchigen Dekanter den grünlichen Eiswein ein, der aus echten Weintrauben hergestellt worden war. Die Weingläser stellte er auf ein rundes Silbertablett und bediente zuerst das ältere Ehepaar, wie es üblich war. Dafür brauchte er nicht einmal mehr die Anweisungen seiner Herrn. Gut, dass er sogar sein Sklavenhalsband poliert und gesäubert hatte.

Rovinna folgte ihm mit den roten Augen, Simar allerdings musterte seinen Sohn. Aus der Nähe rochen die beiden sogar noch schlimmer nach Blumen als der eigentliche Garten, es fehlten nur noch Bienen oder Hummeln auf ihren Körpern.

Myrtax musste zugeben, dass der Ort weise gewählt worden war von Jilal. Relativ abgeschieden, aber noch in Reichweite des Anwesens, um keinen Verdacht zu erregen; nicht einsehbar; keine Wachen und in Reichweite der Küche, sollte etwas fehlen. Und Schreie, sollten welche ertönen, würden nicht leicht zu hören sein.

"Also", sprach Simar mit seiner ruhigen Stimme, "du hast also keine Kosten und Mühen gescheut, um uns dieses Festmahl zu bereiten." Myrtax hätte sich beinahe weggeduckt, die Worte schnitten wie Dolche durch die Luft. "Auf welchen Posten gehen diese Ausgaben?"

"Spesen, geliebter Vater.", säuselte Jilal mit einer seltsamen Kopfbewegung. "Meine Spesen. Alles geht auf meine Kosten."

"Hast du dann noch genug Geld für den Rest des Monats?"

"Alles durchkalkuliert. Ohne besondere Ausgaben besitze ich noch einen reinen Goldbarren. Dies deckt alle anderen Kosten."

"Das will ich hoffen. Der Rat der Sechs verlangt eine Kostenaufstellung, die ich ihm in zwei Monaten vorlegen soll und ich würde behaupten, von denen ist niemand erfreut, wenn wir eine Spitze in den Kosten haben, die nicht vorgesehen ist."

"Du bist der Schatzmeister, du könntest das irgendwo anders unterbringen."

"Aufgrund deiner Unfähigkeit habe ich bereits alle Unkosten des gesamten Jahres auf die Blutweinversorgung gelegt, um besseren Blutwein zu kreieren."

Das Gesicht des Sohnes zuckte einmal kurz, als er wieder einmal auf seinen unverantwortlichen Umgang mit der Sklavin Huria aufmerksam gemacht wurde.

"Siehst du, ich wusste, du würdest eine Lösung finden." Er prostete seinem Vater zu, der nur müde das Glas ein wenig hob.

"Und wann gedenkst du, dir meinen Unterricht zu Gemüte zu führen?"

Myrtax stellte die Gläser neben Jilal und Marseille ab und positionierte sich am Getränketisch.

"Bald, Vater."

"Ich möchte wetten, du weißt nicht, was das hier alles kostet."

"Oh doch." Jilal grinste und ratterte eine Liste an Zutaten herunter nebst ihres Geldbetrages. Fisch, Fleisch, Geflügel, Gemüse und Gewürze. Für Myrtax waren es schwindelerregende Höhen, das gesamte Festmahl inklusive der Kosten für die Diener belief sich auf mehrere reine Vollbarren Gold. Sogar sein Name wurde genannt und er war erstaunt, dass er auch etwas kostete.

Klar, irgendwie war es natürlich, dass sogar Sklaven Geld kosteten, aber Myrtax hatte nie darüber nachgedacht, dass auch er ein Kostenfaktor war. Abgesehen von der Kleidung, was hatten die Diener und seine Anstellung heute hier gekostet? Dies wurde nicht aufgeführt.

"Und ich dachte, meine Lehren sind auf unfruchtbaren Boden gestoßen.", erwiderte Simar unbeeindruckt, nippte am Eiswein und schaute zu seiner Frau, die nur eine Schulter hob, die aussagte, sie hätte eigentlich bessere Dinge zu tun gehabt.

"Zumindest seine druidischen Fertigkeiten lassen immer noch zu wünschen übrig.", befand Rovinna spitz. "Diosmos ist nicht angetan und ich auch nicht. Vielleicht solltest du dich mehr um dein Erbe kümmern als um magische Spielereien."

Jilal winkte dem Koch, der den ersten Gang präsentierte: Kürbissuppe, Tomatensuppe oder Lachshäppchen auf frischem Brot mit Butter, Früchten und verschiedenen Kernen.

Rovinna entschied sich für die Lachshäppchen, während Simar die Kürbissuppe beanspruchte. Marseille und Jilal nahmen beide wie abgesprochen die Tomatensuppe. Nicht, dass es eine Auswirkung gehabt hätte, aber so wollten sie Einigkeit und Stärke zeigen.

Nicht, dass es nötig gewesen wäre.

"Vielleicht." Jilal lächelte immer noch. "Ich gedenke, dies zu tun. Mir war nie ganz klar, wo meine Interessen und Stärken lagen, aber ich habe mittlerweile Klarheit in meinen Gedanken, sodass ich den Weg des Schatzmeisters begehen würde. Und, falls ihr gestattet, Marseille den Weg der Druidin gehen zu lassen."

Marseille lächelte und zeigte ihre weißen Zähne. Das war nun eine Neuigkeit, von der Myrtax nichts wusste. 

"Sie ist eine Dienerin."

"Nein, sie ist meine Frau und ehrenhalber eine Lachlidan. Ihre Kräfte sind da und ich denke nicht, dass Diosmos etwas dagegen hätte. Wir haben nicht so viele Druiden, wie ihr wisst und jemand, der sie verstärkt, könnte uns nützlich sein. Und wenn aus ihrer Linie weitere Druiden entstehen, umso besser."

"Seit wann denkst du so weitreichend?", fragte Rovinna verwundert. "Du hast doch bestimmt einen Plan."

"Aber sicher." Jilal ließ sich von Myrtax Eiswein nachschenken. Hoffentlich übertrieb er es nicht und plauderte zu viel. "Ich bin euer einziger Sohn. Warum eigentlich?"

"Wir wollten dich perfekt haben." Rovinna zuckte mit der Schulter. "Unser Wissen, unsere Kraft und unsere Macht sollte in dich fließen und aus dir den perfekten Erben machen. Daran sind wir zwar gescheitert, aber wir geben die Hoffnung nicht auf."

"Falls die Kosten sich rechnen.", warf Simar ein. "Momentan sind es nur Kosten."

"Nur Kosten.", nickte Rovinna bestätigend. "Ob und wie wir ein weiteres Kind bekommen, wissen nur die Infernalé."

"Nur die." Jilal prostete ihnen wieder zu und dann bekamen sie die Vorspeise. Myrtax goss allen Vampiren unauffällig Eiswein nach und öffnete dann die Schatulle, um bereit zu sein.

In der Schatulle lagen - von schwarzem Samt eingerahmt - zwei rote Pillen. Beide etwa so groß wie der Nagel des kleinen Fingers, umhüllt von einer durchsichtigen Schicht, von der Myrtax nur wusste, dass sie sich in Wein auflösen würde. Sie würden in den Blutwein am Ende fallen und alles in Gang setzen.

"Und du wolltest uns einfach danken?" Rovinna putzte sich den Mund mit einem Tuch ab, als die Vorspeise auf allen Seiten vertilgt worden war.

"Ganz recht. Ihr habt mir diese hervorragende Vertraute an die Seite gestellt und sie zu meiner Frau gemacht. Ihr habt mir einen guten Weg ins Leben mitgegeben und sogar mein menschlicher Sklave ist durchaus eine Erwähung wert. Einfach nur dafür."

"Sieht dir aber gar nicht ähnlich."

"Was würde mir denn ähnlich sehen?"

"Uns bei der Vorspeise zu vergiften und den Krähen zum Fraß vorzuwerfen. Oder in die Sonne zu legen, auf dass wir verdampfen."

"Aber Mutter!", rief Jilal gespielt entrüstet aus. "Was denkst du nur von mir? Ich würde euch doch nie bei der Vorspeise vergiften oder euch in die Sonne legen, wo denkst du nur hin?"

"Habe ich mich getäuscht?", lächelte sie ihr eiskaltes Lächeln. Myrtax öffnete nun einen Dekanter, in dem  roter, klarer Fruchtsaft schwamm, verteilte ihn in bauchigen Gläsern. Den Absacker würde er nach der Hauptspeise kredenzen und den Blutwein, den Jilal hatte kommen lassen, nach der Nachspeise.

"So gut man sich nur täuschen kann. Von wem sollte ich denn dann sonst lernen?"

"Nun, da gibt es nur noch wenige. - Was bringst du uns zur Hauptspeise, lieber Sohn?"

"Wildschwein in warmer Pfefferminzsoße, Langusten oder Perlhühner."

"Ich nehme die Languste.", befand Rovinna zufrieden, schwenkte ihr noch nicht geleertes Weinglas.

"Wollen wir dem Tier weitere Leiden ersparen.", erwiderte Simar, lächelte nicht. "Ich nehme das arme Wildschwein. Was hat es dir getan, dass du es in warmer Pfefferminzsoße kochen lässt?"

"Es hat den Garten umgegraben und das sollte es nicht."

"Gut, ein annehmbarer Grund."

Auch die Hauptspeise verlief einigermaßen ruhig, wenn auch mit kleinen Schmeicheleien aus Richtung Marseille und Jilal und Sticheleien aus Richtung der Eltern.

"Als Dessert kredenze ich euch Weichflötenpudding mit Erdbeersoße. Die Pilze sind auch extra lange getrocknet worden, damit sie die Soße besser aufnehmen."

"Du hast es erwähnt, aber ich dachte nicht, dass du dir so viele Gedanken darüber gemacht hast." Simar träufelte die dunkelrote Soße auf die grauen, platten Pilze, welche die Soße gierig aufnahmen und ihre Farbe nach grau-rot wechselten, während sie sich aufpumpten.

"Und wie ich mir Gedanken gemacht habe." Jilal schnippte zu Myrtax, der sich verneigte und die vier Gläser vorbereitete. Er legte wie besprochen die beiden Pillen in die rechten beiden Kristallgläser und goss dann den beinahe dickflüssigen Rotwein darüber. Es zischte kurz, bevor sich die Flüssigkeit wieder beruhigte.

Als er alle vier Gläser gefüllt hatte, nahm er das Silbertablett wieder auf und ging zuerst zu den führenden Lachlidan, griff nach dem ersten Glas.

"Halt!", befahl Rovinna scharf und Myrtax verharrte in der Position, mit der Hand an dem Glas.

"Wir nehmen diese Gläser." Rovinna nahm die linken beiden Kristallgläser, in denen der Blutwein schwamm und nickte. "Danke, Mensch."

"Zu Diensten, Herrin." Myrtax verneigte sich tiefer, bevor er zu Jilal und Marseille ging. Er zwinkerte dem Vampir verstohlen zu, der nur den Zeigefinger der rechten Hand hob. Rovinna hatte gutes Recht daran getan, Myrtax und Jilal zu misstrauen. Sie hatte aber nicht damit gerechnet, dass beide denselben Gedanken gehabt hatten. Dass sie es erwarten würde und deswegen andere Gläser bevorzugen würde.

Ihr Pech.

"Nun denn." Jilal hob sein Glas und erhob sich mit Marseille. Alle vier Vampire standen nun, Jilal prostete ihnen zu. "Das ist ein vierundzwanzig Jahre alter Golbach, der gleiche Wein, den wir auf eurem Hochzeitstag hatten. Es ist sogar die gleiche Flasche, in dem Fall wäre er aber offiziell sechsundzwanzig Jahre alt."

"Dass du dich daran erinnerst, liebster Sohn." Rovinna neigte ihr Haupt beinahe respektvoll. Aber nur beinahe, es war mehr ein anerkennendes Nicken.

"Ich erinnere mich, Mutter." Jilal setzte sein Glas ab, leckte sich über die Lippen, als sich sein Gesicht zu einem grausamen Lächeln verzerrte. "Ich erinnere mich an deine Schmähungen vor den Abbaturi und Varanné. Ich erinnere mich an deine grausamen Lehren und wie Diosmos mich schändete."

Rovinna schaute ihren Sohn an und dann in ihr Glas. Das Lächeln ihres Sohnes blieb auf seinem Gesicht bestehen, während er um den Tisch herumging, als Rovinna anfing zu husten und sich an die Kehle griff. Ihr Mann Simar versuchte sie zu fangen, aber auch er begann zu husten, die Augen groß.

"Du hattest Unrecht damit, dass ich euch zu Beginn des Essens vergiften würde.", sprach er so leise, dass Myrtax ihn kaum verstehen konnte. Rovinna stützte sich hustend auf dem Tisch ab. "Es wäre doch höchst unehrenhaft, das ganze leckere Essen verkommen zu lassen und euch mit leerem Magen eurer Bestrafung zuzuführen.

Nein, ihr dürft die Leckereien ein letztes Mal kosten, bevor das Gift euch lähmt."

Rovinna versuchte etwas zu sagen, aber erste schwarze Linien breiteten sich um ihre Augen aus und sie fiel zu Boden, den Blick auf ihren Sohn gerichtet, direkt neben ihrem Gemahl, der Zeter und Mordio schreien würde, wenn er es gekonnt hätte.

Myrtax beobachtete, wie die Diener um ihn herum zurückwichen. Für ihn war es ein guter Zeitpunkt, das herumliegende Fleischmesser des Kochs unter seinem Mantel verschwinden zu lassen und sich näher zu den beiden Vergifteten zu gesellen. Er trug sein breitestes Lächeln, wackelte mit dem Stumpf seines rechten kleinen Fingers. Sie sollten wissen, dass auch er dafür verantwortlich war.

"Keine Sorge.", flüsterte Jilal, trank seinen Blutwein aus und stellte das Glas auf den Tisch. "Wir werden euch nicht töten. Ihr seid beide meine Eltern und kein Kind sollte seine Eltern töten. Nein, ihr werdet mir zuschauen, wie ich den Clan an mich reiße und unter meine Kontrolle bringe. Niemand wird euch vermissen, denn ihr seid auf Reisen und währenddessen bin ich euer Stellvertreter." Er kicherte leise. "Und ein Mensch hat es getan, ist das nicht wunderbar. Myrtax?"

"Ja, Herr?" Der Sklave stand plötzlich stramm.

"Schwörst du uns die Treue, mir und meiner Gemahlin Marseille und nur uns, bis zu deinem Tode in allen Lagen und Wendungen?"

"Ja, Herr, das schwöre ich." Myrtax schluckte, als sein Sklavenhalsband in dutzende Teile zersprang und Jilal ihm ohne Zeremonie ein neues, besseres Sklavenhalsband mit frischen Runen anlegte. Das Halsband war aus reinem Silber und kratzte nicht, scheuerte nicht und lag kühl auf seiner erhitzten Haut.

"Er hat uns die Treue geschworen.", lächelte Marseille, Jilal nickte nur, schaute zu seinen Eltern hinunter, die regungslos auf dem Boden lagen, nur ihre Augen waren offen und bewegten sich. Myrtax war von dem, was jetzt kam, nicht begeistert, aber er ließ es über sich ergehen, als Marseille seine Hose öffnete und hinunterzog.

"Mach schnell, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit." Jilal kniete sich neben seiner Mutter hin und entfernte ihren Schmuck. "Den wirst du auf deiner Reise nicht brauchen. Es würde auch merkwürdig aussehen, wenn dein Schmuck fehlen würde, aber keine Reisekleidung. Wir haben alles vorbereitet. Ihr habt nicht gedacht, dass ich so weit vorausdenken würde, hu?

Eure Spitzel habe ich längst bemerkt und sie mit falschen Informationen gefüttert. Das Anwesen war nur eine falsche Fährte, sogar Myrtax als mein Vertrauer und dein Spion, Mensch hin oder her, wusste nichts davon."

Myrtax hatte wirklich nichts davon gewusst, konnte den Blick kaum von Rovinna abwenden; auch nicht, als Marseille sein Glied in die Hand nahm und es so lange rieb, bis es steif und pulsierend in die Höhe ragte. Ablehnen konnte er es nicht, es hatte damals wie ein Befehl geklungen. Freude würde er eh nicht daran empfinden, er hatte nie wirklich verstanden, was an diesen körperlichen Aktivitäten so toll war.

Dennoch gab er ein überraschtes Keuchen von sich, als der heiße Mund von Marseille sich um sein Glied schloss und anfing zu saugen, sich zu bewegen und zu lecken.

Rovinna starrte ihn an und Myrtax schluckte, bevor er wieder breit grinste. Er, ein Mensch, hatte die mächtige Rovinna und ihren Mann Simar zu Fall gebracht und eine andere Vampirin ließ ihm ihre mündlichen Künste angedeihen.

Jilal nahm auch seinem Vater den Schmuck ab und er nickte zufrieden, als er alles in einen kleinen Beutel steckte. Er schnippte mit dem Fingern und mehrere Diener kamen aus den Zugängen, brachten Tragen und Leinentücher. Sie wickelten Rovinna und Simar anstandslos darin ein, legten die reglosen Vampire auf die Tragen und verschwanden wieder.

Myrtax wusste, wohin sie gingen. Er wusste, was nun geschehen würde. Innerlich lächelte er breit und als sein heißer Samen in den Schlund von Marseille schoss und sie ihn auf die Wiese spuckte, wusste er auch, dass er gewonnen hatte.

Als Mensch, als Diener, als Sklave. Er hatte gewonnen. 

 

 

 

"Da wären wir." Jilal streckte sich, als sie im Gemach seiner Eltern ankamen. Die Kristalle waren in den halben Kreisen angeordnet, sowohl Rovinna als auch Simar standen auf je einem Podest. Sie konnten sich zwar nicht bewegen, aber ihre Körper hielten die Spannung.

Er pfefferte sein Gewand auf einen Stuhl und nahm das schwere Buch auf, welches auf dem Schreibtisch seines Vaters lag.

"Weißt du, Vater", er nutzte selten die Namen seiner Eltern, "ich habe mich in dein System bereits eingearbeitet. Ich beherrsche es so gut wie du. Einige Kniffe sind mir noch schleierhaft, aber ich werde eine würdige Vertretung sein. Und der Rat der Sechs wird es verstehen, wenn einige Zahlen noch nicht stimmen, da ich nur dein Lehrling bin und du auf Reisen."

Ein kaltes Lachen aus seinem Mund, seine Augen noch kälter. Er legte das Buch auf das Pult vor den Kristallen, schlug die erste Seite des Rituals auf.

"Dieser Zauber wird euch nicht töten. Er wird euch am Leben erhalten. Er wird euch in der Zeit einfrieren. Ihr werdet angeblich keinen Hunger, keinen Durst und keine Erschöpfung erleiden, aber dennoch alles mitkriegen, was um euch herum passiert. Sagt jedenfalls die Anleitung. Der Sklave, der fehlt, hat den Testlauf so gut es geht überstanden. Dass ihn die Schweine gefressen haben, war ein unerträglicher Verlust für uns und uns völlig unerklärlich, wie das nur passieren konnte." Wieder das kalte Lachen.

"Ihr habt mir die beste Frau zur Seite gestellt, die man sich wünschen kann." Er schaute kurz zu Marseille, die ihm einen Luftkuss zuwarf. Myrtax war immer noch über den Wandel irritiert, ließ es sich aber nicht anmerken. "Mit Blut besudelt sieht sie noch hinreißender aus. -  Magst du dich vielleicht schon freimachen?"

"Jetzt schon?" Sie zog eine Schnute, zuckte mit den Schultern und schälte sich aus ihrem Kleid, stand nackt am Schreibtisch mit vor der Brust verschränkten Armen und lächelte breit. "Bring es hinter dich, Schatz, dann haben wir alle Zeit der Welt."

"Wir alle haben dann alle Zeit der Welt." Er schaute zu seinen Eltern. "Nun denn, lebt wohl, ich hoffe, ihr genießt es, wie wir unser Reich ausdehnen und ihr zuschauen könnt, wie es nach unserem Tod zerfällt. Bis in alle Ewigkeit. Lebt wohl, nicht ganz so geliebte Eltern."

Er lächelte breit und begann dann, den Spruch aus dem Buch zu rezitieren. Nach und nach begannen die Kristalle zu leuchten, strahlten ein kaltes, blauweißes Licht aus.

Seite um Seite arbeitete sich Jilal vor, bis er die Hand nach Marseille ausstreckte und sie in seine Arme zog, mit dem Rücken zu ihm. Genießerisch massierte er ihre Brüste, sie lehnte sich an ihn, den Kopf auf seiner Schulter. Myrtax wandte den Blick ab und ging nahe an die Kristalle heran, sodass er das Ende von Rovinna sehen konnte.

"Ich könnte dir ein Messer in die Seite rammen.", flüsterte er leise. "Es würde niemand merken, bis es zu spät ist." Er verzichtete auch auf Höflichkeit. "Ich könnte dich töten und dein Tod hieße Myrtax. Aber der Tod ist zu gut für eine Schlampe wie dich. Lebe und verzweifle." Er lachte, als Jilal das Wort sprach.

"Khaltrho!"

Die Kristalle lösten sich aus den Kreisen und schossen auf die beiden Vampire zu, gruben sich in ihr Fleisch und ihre Knochen, wurden zu den Vampiren. Laute der Pein ertönten aus ihren Kehlen, bis der letzte Kristall in ihnen verschwunden war.

"Geschafft.", sprachen Jilal und eine Stimme in Myrtax' Hinterkopf. Mehr und mehr war Myrtax der Auffassung, dass es keine Einbildung war. Irgendwer oder irgendetwas sprach zu ihm.

"Fertig." Jilal atmete aus, schlug das Buch zu und löste den Gürtel um seine Hose. "Geh, Myrtax. Ich brauche dich erst morgen wieder."

"Ja, Herr." Myrtax lächelte, verneigte sich und verließ rasch das Zimmer, als Jilal sein hartes Glied in Marseille drückte, die nur genießerisch jubelte.

Myrtax würde anders feiern. Er hatte ein Buch der Altvorderen zu lesen.

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