Kapitel 21

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Der Mondschimmer erleichterte ihnen das Vorankommen. Pecus und Theovin waren erschöpft, doch Belasar drängte sie weiter. Von ihrer Position aus, waren es etwa ein Dutzend Dächer und dann erwartete sie der Turm. Wenn der Vernarbte richtig lag, gab es auf dessen Außenseite eine Leiter, die bis zur Spitze reichte.
 
Von dort könnten sie das Geschehen auskundschaften. Zwar waren die Winde nicht mehr so rau wie vorher, dennoch war nicht zu hören, was im Hauptlager vor sich ging.
 
Eine Linie aus Feuer und brennende Pfeile, sprachen für einen Kampf, doch wie dieser ausgegangen war, konnte niemand von ihnen wissen.
 
Feine Schneeflocken begleiteten sie auf ihrem Weg. Die Bewegung hielt sie warm und der Stress wach. Jeder Ziegel könnte der letzte sein, an den sie sich klammerten. Daher berührte Pecus, welcher als Erster voranging, jeden Lehmziegel mit der Spitze seines Kurzschwerts. 
 
Zweimal war einer dieser abgebrochen und vom Dach gerutscht. Durch die Schneeschicht am Boden des Weges, war das Geräusch – zu ihrem Glück – erstickt worden. 
 
Trotz aller Erwartungen hatte Belasar die größten Schwierigkeiten. Er war der Kräftigste der Truppe, allerdings ebenso der Schwerste. Er traute sich kaum, einen Fuß auf die metallene Rinne zu setzen, da er befürchtete, dass diese aus der Wand brechen konnte. 
Auch Theovin hatte Probleme, sich über die Dächer zu schleppen. Niemand konnte ihn stützen und wenn er springen musste, war es bei ihm stets knapp. Pecus forderte ihn auf, keine zu hektischen Bewegungen zu tätigen, da sonst das Risiko bestand, dass dessen Wunde aufreißen würde.
 
Belasar hatte einen Verdacht, welchen er für sich behielt. Genau wie der Heiler es beschrieben hatte, war Belasar ein Gestank in die Nase gestiegen, bevor die Wesen aufgetaucht waren. Unter diesem hatte er ebenfalls etwas anderes gerochen. Eisen.
Der erfahrene Krieger kannte den Geruch. Er ging von Blut aus. Zu oft hatte er ihn bereits wahrgenommen. Dabei dachte er an das schwarze Blut, welches ihnen allen durch den Körper floss.
 
Durch die Zeit, die sie über die Gebäude kletterten, hatte er Zeit zum Nachdenken. Sein Geist wollte diese Wesen nicht verstehen. Er sträubte sich, was daran liegen konnte, was für ein Gefühl sie ihm gaben.
Sein Leben lang hatte er nichts gekannt außer den Kampf. Wenn ein Feind ihm überlegen war, trickste er diesen aus. Er gab stets alles dafür, der Stärkste zu sein. Zu siegen. Daher brauchte er vor nichts Angst zu haben. Niemals musste er wegrennen. Andere suchten wegen ihm das Weite. So gut wie alle, außer Theovin.
 
Als er die Schattengestalten erblickt hatte, war ihm das erste Mal ein mulmiges Gefühl in den Magen gestiegen. Im selben Moment, indem er eines von ihnen attackiert hatte, wusste er sogleich, warum. Er war diesmal derjenige, der floh. Würdelos.
 
Während er kurz davor war zu verzweifeln, grübelte Belasar nach. Wie konnte man einen solchen Feind besiegen? Da er zu dem Schluss kam, dass er es nicht konnte, besann sich der Bär auf etwas anderes.
Nie zuvor war er auf ein solches Wesen getroffen. Womöglich suchten sie nur diesen Ort heim. Sie waren an die Festung gebunden, ansonsten hätten sie die Männer während des Aufstiegs oder im Tal attackiert. Er schlussfolgerte, dass eine Flucht im Bereich des Möglichen lag.
 
Abzuwenden war daher, verfolgt zu werden. Er hatte die Wesen nur für wenige Augenblicke gesehen, aber Augen, Ohren oder eine Nase, waren dabei nicht zu erkennen gewesen. Der schwarze Körper, der seine Axt verschluckt hatte, wurde dadurch nicht sichtlich geschädigt. Das ganze Wesen bestand aus der formlosen Masse.
 
Wie hatten sie ihn und Theovin gefunden? Diese Frage quälte Belasar. Wenn er herausfinden konnte, auf welchem Weg sie es taten, wurde eine Flucht wahrscheinlicher.
 
Belasar dachte abermals an das Blut. Es war schwarz, genau wie die unförmigen Wesen. Jene, die nach Eisen rochen.
Welch dunkle Magie es sein mochte, ihr Blut hatte etwas damit zu tun. Wenn seine Vermutung stimmte – was er fürchtete – konnten die Schattenwesen sie darüber aufspüren. Auf eine Weise, die sich dem Verstand eines Hemnan nicht erschloss, fühlten die Wesen den Saft der Lebenden.
 
Sein Blick wanderte zu Theovin, der sich an die Dachkante klammerte und mit der Rechten seinen Bauch hielt. Er hatte eine offene Wunde. Eine der Kreaturen hatte diese verursacht. Was wenn die Verletzung es den Wesen erleichterte, sie aufzuspüren? 
Nicht länger wollte er sich diesem Gedanken widmen. Falls sie entkommen konnten, zählte nichts davon.
 
Pecus streckte seinen rechten Arm aus. Theovin und Belasar, hinter ihm, kamen zum Stehen. Der Heiler deutete auf einen der Gänge unter ihnen. Die beiden anderen konnten nichts erkennen. Es war zu dunkel. Einige Herzschläge lang pressten sie sich an das Dach. Dann kletterte Pecus weiter.
 
Der Mond wurde allmählich vom Turm verdeckt, als die Männer jenem näher kamen. Pecus meinte, die Leiter zu erkennen, aber Belasar sah sie beim besten Willen nicht. Auf dem vorletzten Gebäude konnte er sie dann ebenfalls ausmachen.
Als der Heiler an die Kante auf den Ziegeln stieg, musste er feststellen, dass der hölzerne Aufweg für ihn nicht zu erreichen war. Es gab zwei Wege, um dennoch hinüber zu gelangen: zum einen, vom Dach aus den Boden erreichen, zum anderen, einen Sprung wagen.
Die Männer beratschlagten sich flüsternd. Pecus war nicht kräftig genug, um sich nach dem Sprung halten zu können und Theovin verletzt. Belasar traute es sich zu.
 
Besorgt musterte der Heiler den Bären, welcher Anlauf auf dem Dach nahm. Es war nicht all zu steil, aber die Gefahr abzurutschen und unsanft am Boden aufzukommen, bestand. Der Vernarbte suchte derweil einen Weg für ihn und Pecus nach unten. Ob sie diesem folgen würden, war davon abhängig, was der große Mann vom Turm aus sehen konnte.

 

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