Schwarzblut by Barekamy | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Kapitel 14

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Keiner von ihnen erwartete, einen Gegner besiegen zu können, welcher so viele andere bereits abgeschlachtet hatte. Doch ihr Kommandant wollte es so. Er vertraute auf ihre Fähigkeiten als Ritter und so glaubten ebenso diese an sich.
Sie waren vom Hohepriester der heiligen Stadt gesegnet und von seinen Gehilfen gesalbt worden. Der Allsehenden war mit ihnen. Sie führten nicht ihre Schwerter, sondern das seine. Sollte ein unheiliger Dämon aus dem Abgrund emporsteigen, würden sie diesen erschlagen, ohne zu zögern. So war ihr Schwur.


Die weißen Mäntel hingen von ihren Rüstungen herab, auf denen sich das Licht der Flammen spiegelte. Es beleuchtete einen Großteil des Platzes, welcher zu einigen vermeintlichen Wohn- und Verwaltungsgebäuden anschloss.


Vor langer Zeit musste hier alles voller Leben gewesen sein. Es war genug Platz für mehrere Marktstände, ein Podest und zahlreiche Sitzbänke. Die Soldaten, welche hier stationiert gewesen waren, hatten nicht nur gedient, sondern an diesem Ort gelebt.


Enrik erinnerte der Innenhof an den großen Platz in seiner Heimat. Zahlreiche Hemnan kamen dort immer wieder zusammen, tratschten, handelten und ließen sich unterhalten. Er wollte sich nicht ausmahlen, dass dieser Ort eines Tages ebenso eine Ruine sein würde.
Etwas kroch über den Schnee. Lautlos bewegten sich mehrere Gestalten in die Lichtkegel. Sie waren formlos, wie zäher Teer. Die Fackeln spiegelten sich auf ihrer Oberfläche. Armähnliche Auswüchse bildeten sich. Diese zogen Fäden wie Honig, aber waren schwärzer als Asche. Die Wucherungen wuchsen und nahmen die Gestalt von Speeren an.


Manche der Geschöpfe glichen einem Hemnan. Sie besaßen Gliedmaßen und Köpfe, auf denen verzerrte Fratzen und Mäulern wie bei wilden Tieren zu erahnen waren.
Bei anderen verformte sich die dickflüssige Substanz zu etwas, was an Hörner oder Zungen erinnerte. Aus schwarzen Händen stieg die Masse empor, formte Schwerter und andere Waffen.


All dies glich dabei nur wenig den originalen, als würden die Kreaturen verzweifelt versuchen, einen Soldaten nachzuahmen. Es war eine abstrakte Darstellung der Realität, wie von einem dem Wahnsinn verfallenen Künstler.
Wie Wachs tropfte ihre Gestalt in den Schnee und floss dann über diesen zurück in sie hinein. Ein Grauen erregendes, unwirkliches Bild spielte sich vor dem Kommandanten und den Rittern ab.


In Schockstarre schweigend, ließen die Männer das Geschehen auf sich wirken. Der Prinz fasste sich als erster wieder. Er richtete das Schwert auf die Ungetüme und sah herab auf die Gefallenen, zu den Körperenden der schwarzen Wesen, die man nicht Füße nennen konnte.
Im blieb die Stimme im Mund weg, also schritt er schweigend auf eines der Geschöpfe zu. Kein  Kampfschrei entwich seiner Kehle, da er die Zähne zusammenbiss, dass ihm der Kiefer schmerzte.
Die Kreatur überragte ihn um ein Vielfaches. Die Fratze voller Löcher, durch welche das schwache Sonnenlicht schimmerte, sah auf ihn herab. Im Augenwinkel erkannte er, wie seine Kameraden sich ebenfalls den abscheulichen Geschöpfen in den Weg stellten. Zu diesem Zeitpunkt waren sie in der Überzahl.


Ohne ein Geräusch von sich zu geben, schoss ihm ein beilförmiger Auswuchs entgegen. Er wich dem Angriff nach rechts aus und versuchte die dunkle Masse zu durchtrennen. Für einen kurzen Augenblick spürte er einen Widerstand, danach versank der vordere Teil seine Klinge in der schwarzen Masse.


Nach hinten schreitend, zog er sie wieder heraus und schwang die Fackel nach vorn, um das Ding zum Zurückweichen zu bewegen. Währenddessen rief er, „Kommt ihnen nicht zu nahe!“, zu seinen Kameraden.
Diese hörten auf den Befehl und traten einige Schritte zurück. Ganz im Gegensatz zu den Angreifern. 
Die Kreatur versuchte nicht einmal auszuweichen und wurde von den Flammen erfasst. Es zischte. Das Feuer zitterte, doch erstarb nicht. Ein stinkender Dampf lag in der Luft. Selbst Enrik konnte diesen wahrnehmen, welcher sonst nicht für seinen ausgeprägten Geruchssinn bekannt war.


„Benutzt die Fackeln!“, rief er seinen Mitstreitern zu, welche, ohne Widerworte, der Anweisung nachkamen.
Immer wieder wich er den unberechenbaren Angriffen aus, welche langsam genug waren, dass er nicht zu stolpern begann. Seine Schwerthiebe blieben erfolglos, bis er bei einem auf etwas Hartes traf und die abgetrennte Gliedmaße zu Boden fiel. Bevor er sich für den geringen Erfolg freuen konnte, änderte die schwarze Masse ihre Beschaffenheit und floss zurück in die albtraumhafte Gestalt. Ein Zittern durchfuhr ihn. Die Kreatur widerte ihn an.


Er versuchte stetig, das Wesen mit der Fackel auf Abstand zu halten, doch es wich nicht zurück und drängte ihn rückwärts. Er traute sich nicht, mit der Fackel, das Geschöpf zu berühren, da er seine einzige Hoffnung nicht zu früh erlöschen sehen wollte.
Jeder Angriff der Kreatur setzte ihn mehr unter Druck als der Vorherige und bald schon war der Kampfesrausch und die Wut verflogen. Einzig die Konzentration konnte ihn vor der Panik bewahren. Jedes Mal, wenn einer der schwarzen Auswüchse ihm nahekam, spürte er, dass dieser ihn hätte töten können. Durch die Erfahrungen auf dem Schlachtfeld war ihm jenes besser bewusst, als ihm lieb war. Dennoch versuchte er, die Furcht anzunehmen und als Waffe zu gebrauchen.


Er durfte sich keine Blöße gegeben. Jeder Schritt zurück, musste stabil sein, jedes Ausweichen geschmeidig. Wäre er nur ein Mal unachtsam und würde ausrutschen, bedeutete dies den sicheren Tod. 
Die Flamme in seiner Linken flackerte, als wäre sie kurz davor auszugehen. Der Himmel verfinsterte sich über ihnen. Enrik stieg ein eigenartiger Gestank in die Nase, jedes Mal, wenn es neben ihm zischte.
Nach wenigen Herzschlägen, welche bei dem Kommandanten immer häufiger wurden, sah er sich an den Rand des Platzes zurückgedrängt. Während er dies realisierte, streife eine dunkle Klinge seine Rüstung. Zurück blieb eine tiefe Schramme, auf dem Stahl.
Weitere Schemen tauchten überall im Halbschatten auf.


„RÜCKZUG!“, brüllte der Kommandant den Rittern entgegen, während sich ein Speer durch den Stoff seines Mantels bohrte.
Er machte einen Satz zurück und stürmte dann zum Weg, welchem sie gefolgt waren. Die Wolke verschwand. Da die Sonne tief im Westen stand, färbte sich der Himmel orange.
Ein metallisches Klirren und Scheppern ertönte, danach hörte er das Stapfen einiger Männer. Es waren nicht alle von ihnen. Einer war zu Boden gegangen.


„Lasst mich nicht zurück!“, kam es aus einer hilflosen Kehle.


Enrik wusste, dass er nicht das Leben all seiner Soldaten für einen Einzelnen riskieren durfte. Allein die Idee, töricht mit diesen dämonischen Wesen zu kämpfen, passte nicht zu ihm. Er musste seine verbliebene Truppenstärke kombinieren, um diese Kreaturen zu beseitigen.


Da die Information, dass Feuer diesen Wesen schaden konnte, über Sieg oder Niederlage zu entscheiden vermochte, war die höchste Priorität, sein eignes Überleben. Die Soldaten brauchten einen Anführer. Wenn er umkehren würde, konnte er für nichts garantieren.
„LASST MICH NI..“, der Ruf des Mannes wurde von einem Geräusch unterbrochen. Das Metall kreischte auf, dann tat es der Ritter jenem gleich. Er schrie aus ganzer Kehle, wie es Enrik zuletzt bei der Entbindung  seiner ältesten Schwester gehört hatte. Dabei wurde die Stimme immer schwächer und ein abscheulicher, glucksender Laut kam hinzu.


Enrik wagte es für einen Augenblick, hinter sich zu linsen. Über den Köpfen seiner Soldaten schwebte der Mann in der Luft, durchbohrt von der schwarzen Masse, an der Achsel, wo die Rüstung eine Lücke ließ. Er zuckte und wand sich, während schwarzes Blut über das Metall lief, um dann in die dämonische Kreatur hineinzufließen.


Der Kommandant sah wieder nach vorn und beschleunigte seine Schritte. Er rannte, so schnell wie es der Untergrund und die Ausrüstung zuließen. Hinter sich hörte er die übrigen vier. Nicht ein Mal ein Ritter war diesen Kreaturen gewachsen. Soldaten, welche sonst Furcht auf dem Schlachtfeld säten, spurteten um ihre Leben.


Enrik rechnete damit, dass dieser Tag sein letzter sein würde, aber sein Überlebensinstinkt siegte. Er dachte an die Männer, welche im Hauptlager auf ihre Rückkehr warteten. Es waren üble Gesellen, aber mit Ausnahme des gelben Priesters, hatte keiner von ihnen die Übel verdient, welche sie erwarteten. 


Er musste sie einfach erreichen. Vor diesen Dämonen. Er musste es schaffen und wenn es seine finale Handlung wäre. 

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