Schwarzblut by Barekamy | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Kapitel 3

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Als die Sonne ihr Haupt schüchtern über den westlichen Horizont erhob, waren die Truppen bereits mit dem Abbau des Lagers beschäftigt. Es hatte einige Zeit gedauert, den einfachen Bürgern die Etikette der Soldaten einzubläuen. Mit Druckmitteln war es schlussendlich gelungen, wie wenn man versuchte, einen Hund zu erziehen.
Die Disziplin der Soldaten war dennoch geschwächt, durch die endlosen Märsche der letzten Tage. So trennte sich die Spreu vom Weizen. Männer wie Belasar waren längst abmarschbereit, während andere, wie Theovin, über Gliederschmerzen klagten. 
Es gab eine Mahlzeit in Form von Äpfeln und Brot, danach begann der Aufstieg. 
 
Die Reiter, zu welchen sonst neidisch aufgesehen wurde, liefen ebenfalls neben ihren Tieren. Durch die Steigung war es an manchen Stellen zu gefährlich, außerdem würde aus dem Sattel fallen, den sicheren Tod bedeuten. Selbst wenn man mit einigen Knochenbrüchen davonkam, durfte man nicht erwarten, angemessen von einem Heiler versorgt zu werden. 
So etwas wäre eine Verschwendung von Ressourcen und man hätte sich von seiner Kompanie oder gar dem ganzen Heer lösen müssen. Alleine in der Eiseskälte zu überleben war zudem unmöglich. Desto höher es den Berg hinaufging, je weiter wurde gleichzeitig der Weg, welcher zurück ins Tal führte.
Dieser unabwendbaren Wahrheit, waren sich die Soldaten bewusst. Wer auf einem Teil der Strecke zurückblieb, hatte weder Nahrung, Felle, Feuer, noch durfte er die Hilfe seiner Kameraden erwarten. Wer aufgab, wurde zurückgelassen und wer zurückgelassen wurde, war dem Tode geweiht. 
 
Der sichere Hafen, um diesem Schicksal zu entgehen, war daher die Festung. Sie bot Schutz, konnte als Lager genutzt werden und bedeutete vor allem eine Pause für die Männer. 
Unbarmherzige Böen drangen durch die Reihen der Soldaten. Sie waren kräftiger als jene im Tal, doch boten einige Felsen Schutz vor ihnen. Das bedeutete aber, dass sich die Soldaten an manchen Passagen geduckt fortbewegen mussten. Für die Vorräte und die Pferde nutzte man Trampelpfade, welche zu eng für den Rest der Truppen waren. 
Den Männern schmerzte der Rücken, von der geduckten Haltung und sie klammerten sich an einander sowie die letzten Reste Vegetation, welche in solchen Höhen erblühten. Wurzelwerk, das aus dem Gestein hervordrang, rettete so manchen Mann vor dem sicheren Absturz. 
 
Während die Felsformationen ebener wurden, nahm die Menge an Schnee zu, welche hier und dort schon zu beobachten gewesen war. 
Der Anführer des Heers, wies die Soldaten mit einem Mal zu einem abrupten Stopp an und befahl den hinteren Männern, die folgende Nachricht weiter zu geben. Er sprach eine Warnung aus. In dieser Höhe würde mit Eis zu rechnen sein. Wer den Halt verlor oder rutschte, könnte möglicherweise weitere Soldaten erfassen. 
 
Während die erste Kompanie sich auf direktem Weg in Richtung der Festung machte, wurde ein kleinerer Trupp einen steilen Berghang nach oben geschickt. Ihre Aufgabe war es, vor den Versorgungstruppen, Pferden und der Hauptstreitmacht anzukommen. Sie sollten die Tore der Festung öffnen, was eigentlich nur von innen zu bewerkstelligen war. 
Mit Hilfe eines Geheimganges sollte es möglich sein, in das Gebäude zu kommen. Zumindest stand dies auf einer alten Karte der Festung. 
 
Der Heeresführer von Haus Grünzweig begleitete den Einsatz persönlich. Er war von adligem Blut, zu bedeutend, um mit dem einfachen Pack zu marschieren. Dennoch mangelte es ihm an eben jener Bedeutung in den Reihen der eigenen Familie. Ansonsten hätte man ihn nicht auf diesen Feldzug geschickt und er könnte mit einer warmen Decke und exotischem Wein in seiner Burg residieren. 
Stattdessen entsandte man ihn, einen Mann des Adels, um die Kirche zu besänftigen. Er war an fünfter Stelle der Thronfolge und dazu stand der momentane König in der Blüte seines Lebens. 
 
Doch Enrik Grünzweig hatte kein Interesse an Titeln oder Positionen, welche er zugesteckt bekam. Wie schon sein Vater vor ihm, war er ein Mann von Ehre. Dem Königshaus treu ergeben, in untreuen Zeiten. Er wollte sich seine Titel erarbeiten und dabei war ein solcher Kriegszug die geeignete Chance. Eine Gelegenheit Mut, Loyalität und Führungskraft zu beweisen.
Der grüne Umhang, mit dem schwarzen Zweig des Hauses darauf, flatterte im Wind. Ursprünglich war das Symbol, wie der Name schon sagte, dunkelgrün, bei dem Erkennungssymbol der Generäle hatte man diese Farbe, aber dem Grundstoff gegeben, damit die Soldaten ihren Anführer leichter ausmachen konnten. Es war ein Zeichen von Einfluss.
 
Das Haar des Prinzen war haselnussbraun und fiel ihm auf den stählernen Brustpanzer. Sein Gesicht geschoren, obwohl er in diesem Moment bereute, sich keinen Bart stehen gelassen zu haben, da ihn der eisige Wind an der Kehle schnitt. 
Enriks Rüstung bestand aus einer wilden Mischung aus Stahlplatten, Wams, Fellen und Kettenhemd. Speziell an das Wetter und die Kälte angepasst. Zwar war sie schwer, doch er wollte sie nicht erst an der Spitze des Berges anlegen lassen, da sie seine Körperwärme bei ihm behielt und ihn vor Geröll beschützen konnte. Zudem war er paranoid, seit er das letzte Mal gegen Barbaren in die Schlacht gezogen war.
 
Ihre Taktiken galten als unberechenbar und häufig gerade töricht genug, dass man nicht mit ihnen rechnete. Wenige Mann über den Berg zu schicken, welche dann eine Lawine aus Steinen auslösen sollten, konnte er ihnen zutrauen. Genau so, dass sie hinter jeder Abzweigung lauern würden, mit ihren Klingen längst erhoben, bereit, diese mit Blut zu tränken.
 
Grünzweig war nicht der einzige Mann von Rang, welcher in der kleineren Gruppe marschierte. Mit ihm ging ein Priester des Allsehenden und dessen getreue Diener. Der Mann in gelb-orangener Kutte war von kleiner Statur und genau so gesichts- und namenlos wie seine Begleiter. 
 
Manche Anhänger der Glaubensgemeinschaft legten zusätzlich zu ihrem Familiennamen auch ihren Vornamen ab. Wo das Ablegen des Familiennamens eine Zuwendung zur Kirche und Abwendung von der eigenen Verwandtschaft war, sollte die generelle Vermeidung von Namen, dem Mitglied alle Bindungen zu sonstigen Belangen nehmen. Man wurde losgelöst von allem, was nicht die Kirche war. Nur dem Allsehenden sollte man dienen. Gleichzeitig sorgte es dafür, dass jene Kirchendiener nur mit ihrem Rang innerhalb dieser angesprochen wurden. Den kleinen Mann, welcher mit Enrik Grünzweig marschierte, nannte man deshalb ausschließlich „Priester“.
 
Für einen Namenlosen spielte er sich, zu Enriks Unbehagen, mehr auf, als der Prinz es erwartet hätte. Der Kommandant erkannte zwar den Nutzen der Kirche für den Staatsapparat, doch traute er keinem der zahlreichen Priester, Mönche, Prediger und sonstigen Ordensmitgliedern. In seinen Vorurteilen wurde er zu dieser Gelegenheit bestärkt. Der Namenlose jammerte über den Aufstieg, seine schwerfälligen Bediensteten, welche vollbeladen hinter ihm zurückblieben und meckerte über dem ihm übergeordneten Priester, welcher ihn auf diese Mission geschickt hatte. In jenem Belangen stimmte ihm Enrik zu. Es war für den Feldzug wenig förderlich, dass nutzlose Repräsentanten der Kirche diesen begleiteten.
 
Angeblich sollten sie den Soldaten Trost und Kraft schenken, doch der Prinz glaubte nicht daran. Weder an den Sinn ihrer Entsendung noch an die versprochene Wirkung. Enrik kannte die Sorte Männer, welche mit seinem Heer marschierten. Sie wollten Nahrung, Alkohol, ein warmes Bett und wenn möglich eine Frau. Diese musste nicht mal ansehnlich sein, solange sie warm war. Nicht einmal lebendig, warm. 
Was wollten solche Männer, mit den rätselhaften Dichtungen und sonstigen nichtssagenden Ergüssen, der Vasallen, dieser ach so heiligen Kirche?
 
Das Motiv ihrer Entsendung stellte Enrik ebenso infrage. In seinen Augen war es die Mission der Ordensdiener, die Armee überwachen. Was dieser Feldzug ihren Herren brachte, ob es nun Ruhm, Ländereien oder die Tilgung der Ungläubigen war, darüber wollte sich Enrik gar nicht erst den Kopf zerbrechen. Er lenkte sich lieber mit den Gedanken an das beheiztes Gemach und vorzügliche Essen in seiner Burg ab. Es war die Hoffnung einer frühen Heimkehr, welche ihn den Berg erklimmen und ausblenden lies, was der Priester vor sich hin quasselte. 
 
Dieser Mann hatte sich für den bequemeren Aufweg entschieden und dennoch gab er keine Ruhe. Als sich Grünzweig ersinnte, wie der kleine Mann danach verlangte, dass man ihn den Rest der Strecke tragen möge, so tat er ebendies. Enrik verbot es sich daraufhin, hinabzusehen. Er fürchtete, in schallendes Gelächter auszubrechen, wenn er den erwachsenen Mann – von Jünglingen wie ein kleines Kind getragen – in dieser kümmerlichen Position erblicken würde. 
Die Vorstellung daran verlieh ihm ein abklingendes Lächeln und verschönerte den weiten und beschwerlichen Weg zumindest vorübergehend.

 

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