Schwarzblut by Barekamy | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Kapitel 16

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Der Namenlose schritt unruhig von der einen Ecke des Zelts zur anderen. Seine Diener standen wenig hilfreich herum und redeten auf ihn ein. Als hätten sie irgend eine Ahnung, was für eine Demütigung diese Angelegenheit für ihn darstellte.
Unter all den Priestern, welche der Kirche des dritten Auges zur Verfügung standen, musste man gerade ihn entsenden. Er war der doxonischen Line, nach dem Leitbild des ersten Vaters immer treu geblieben und hatte die Ansichten vertreten, für die der Klerus breitflächig stand. 


Nie hatte er sich gegen einen höher gestellten aufgelehnt. Selbst mit Priestern auf derselben Ebene hatte er sich nicht angelegt. Warum sollte also gerade er jene beschwerliche Reise ins Gebirge antreten? Der Namenlose überlegte, welchem Priester er wohl missfallen sein konnte.

„Beruhigt euch doch bitte. Er wird alsbald zurückkehren“, versuchte es eine Frau in einer gelb-orangenen Robe. Der Klerus betitelte diese Farbe als `reinfarben´. 
„Wer weiß schon wann das sein wir“, blaffte sie der Namenlose an. „Von Mönchen wie euch lasse ich mir nichts erzählen. Ihr wisste genau so wenig wie ich, wann der Kommandant meint, seinen kleinen Ausflug zu beenden.“
„Aber Priester, ging er nicht, um einen Feind zu bekämpfen?“, sagte ein junger Mann mit struppigem Haar. Die Frau sah ihn tadelnd an. Es gehörte sich nicht für einen Jünger der zweiten Ebene, einem der dritten zu widersprechen. 


„Einen dämonischen Feind? Ich sage euch, ich habe einiges über diese mystischen Kreaturen gelesen, aber das ist vermutlich alles Humbug. Selbst wenn es solche Geschöpfe unter dem Himmel des Allsehenden gibt, werden sie von unseren gesalbten Rittern getilgt und zurück in den Abgrund geschickt, dem sie entspringen.“
„Und was wenn es sich um ...“, der Junge mit dem struppigen Haar bekam einen Ellenbogen zu spüren. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass es die Mönchin gewesen war, welche ihn die gesamte Reise über mit strafenden Blicken übersäte.
„Ich halte es nicht länger aus. Schenkt mir ein Glas Wein ein“, rief der Priester, welcher sich die Kapuze gerade rückte.
Er bestand darauf dieses Zeichen der Erhabenheit, welches er als Jünger dritter Stufe gewährt bekam, zu jeder Gelegenheit zur Schau zu stellen.


Die Diener taten wie ihnen befohlen. Den Wein und die Gläser, hatten sie den ganzen Weg den Berg hinauf schleppen müssen, da sich der Priester nicht darauf hinab lies, schlechten Met aus Trinkschläuchen zu sich zu nehmen. Es waren mehrere Gläser für den Fall, dass eines von ihnen zu Bruch ging, nicht etwa, weil jemand außer dem Priester daraus trank.


Der dickliche Mann legte sich auf seine Bank. Er hielt den Kopf mit der linken Hand und kraulte sich mit der rechten den Bauch. Das Mobiliar war eine Konstruktion für Adlige und Reiche, welche sich den Komfort des bequemen Liegens an jedem Ort der Welt sichern wollten. Das Gestell aus Holz und Stoff war zusammenklappbar doch damit noch lange nicht leicht zu transportieren.


Die dunkelrote Flüssigkeit im Glas schwenkend, sah der Namenlose, durch einen schmalen Spalt im Zelteingang der Sonne dabei zu, wie sie sich dem Horizont näherte. Oder eher dem steinernen Turm, welcher die Sicht behinderte. Die Öffnung im Zelt war von den Mönchen so gewählt worden, dass der Wind nicht hindurch blies, der Priester aber dennoch den freien Blick auf den Sonnenuntergang gewährt bekam.


Der Himmel war so rot wie der Wein des Namenlosen, als ein Ruf durch die andächtige Stille schallte. Der Priester wusste nicht, ob er entnervt oder freudig reagieren sollte. Einer der Mönche schritt aus dem Zelt hinaus und blickte auf den Platz.
„Es ist der Kommandant“, meldete er.
„Warum hat das nur so lange gedauert“, sagte der Priester, welcher sich darauf festgelegt hatte, genervt zu sein.
„Er ist zu Fuß. Und einer seiner Männer ist nicht bei ihm“, berichtete der Mönch.
„Was soll das heißen? Ich dachte, er wollte nur nachforschen, wo seine Truppen geblieben waren? Die Sache mit den Verrätern“, sagte der Priester und nahm einen Schluck Wein.
„Soweit ich es sehe, sind sie nur zu fünft.“ 


Der Namenlose richtete sich auf, begleitet von einem Geräusch, welches besser zu einem Mann in Rüstung gepasst hätte, der sich in seinen Sattel hob.


„Lasst ihn bringen“, sagte der Priester, an keinen der Diener spezifisch gerichtet.
Er rechnete damit, dass der Kommandant ihn nicht sprechen wollte, dennoch befahl er es.
Mit seiner Annahme lag er richtig, was sich herausstellte, als der junge Mönch mit der entsprechenden Nachricht zurückkehrte.
Der Dickliche ließ sich von den Händen zweier Frauen aufrichten, als wäre er ein alter Greis und schritt dann erhobenen Hauptes zum Eingang hinaus. Mit aller Konzentration versuchte er, die Kälte zu verdrängen, welche sich ihm draußen stellte. Im Inneren des Zeltes waren zumindest Kerzen gestanden und die Zeltwände boten Schutz vor den Winden.


Seine Diener begleiteten ihn. Zwar würde er diese nicht benötigen, aber es beglückte ihn, durch deren Auftreten imposanter und wichtiger zu wirken. Zudem fand er Gefallen daran, die Mönche wieder zurückzuschicken, wenn über Themen geredet wurde, die seiner Ansicht nach zu brisant für deren Ohren waren.


Auf dem Platz herrschte Chaos. Soldaten liefen von der einen zur anderen Richtung und bildeten neue Reihen. Der Priester verstand nicht, welchen Vorteil die neue Aufstellung der alten gegenüber hatte. Weit weniger begriff er, warum Pech auf den Boden gekippt und die Männer mit Fackeln ausgestattet wurden.


In dem Getümmel konnte er den Kommandanten nicht entdecken, doch den Umhang eines gesalbten Ritters fand er. Er ging zu diesem herüber und rief ihm aus der Ferne zu. Der Ritter erkannte ihn an seiner reinfarbenen Robe und kam schnellen Schrittes angelaufen.
„Priester, was wünscht ihr? Ich bin in Eile“, eröffnete der Gesalbte das Gespräch.
„Was ist geschehen? Warum der ganze Aufruhr?“, erkundigte sich der Priester.
„Der Kommandant und meine Brüder trafen auf einen dämonischen Feind. Sie werden wahrscheinlich auch hier einfallen, weshalb wir alles auf deren Angriff vorbereiten.“


Der Priester nickte und ließ sich seine Verwunderung nicht anmerken. Zumindest dachte er das.
„Einer meiner Brüder ist im Kampf gefallen. Ihr solltet ein Gebet für ihn sprechen.“ 
Gesalbte Ritter und Mönche waren Teil der zweiten Ebene und damit dem Priester unterstellt. Daher gefiel dem Namenlosen die Formulierung des Ritters nicht. Er hätte ihn um das Gebet bitten müssen.


„Könnt ihr mir diese ... Dämonen beschreiben?“, sprach der Priester mit ernster Mine. Sollte er die Gelegenheit haben mit seinem Wissen über Mystik zu glänzen, würde er sie für sich nutzen.

 

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