Schwarzblut by Barekamy | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Kapitel 2

5105 0 0

Mit der Zeit erhob sich das Land wieder und das Peitschen der Winde flachte ab. Als hätte der Sklavenmeister des Himmels genug damit die Erde zu geißeln. 
Auch die Wolken ließen Gnade walten. Das ständige Prasseln des Regens verging so schnell, wie es gekommen war. Doch dafür kehrte eine Kälte ein, welche sich nicht mit der Vorherigen vergleichen ließ. Stoff und Fell waren nass und so wurde es bald schon bitterkalt für die Krieger. Daher wurde beschlossen ein Lager am Fuße des namenlosen Berges zu errichten, welcher vor ihnen lag. 


Einige Männer in silbern glänzenden Rüstungen, welche weiße Mäntel trugen, ritten voraus, an den Reihen der Vorhut vorbei. Der Anführer ihres Heers, ein Mann, fast so groß mit Belasar, aber mit einem leeren Blick und kahl geschorenem Gesicht, wies seine Soldaten an, den Reitern zu folgen. 


Der steinige Weg, welcher davon zeugte, nicht allzu oft in Benutzung gewesen zu sein, führte in einen Wald. 
Tannen, so hoch wie der Glockenturm einer Kirche, hoben ihre Häupter über den langen Zug aus Soldaten. Ihr Holz war zu nass, hart und kalt, um es zu verbrennen. Dafür konnte man den Schutz der Bäume nutzen, um ein solches zu entzünden. Ohne jene, wäre selbst an diesem niedrig gelegenen Ort, der Wind, Tod der Flammen gewesen. 


In mühsamer Arbeit wurde das Erdreich ausgehoben, um darin das Feuerherz zu verwahren. Eine der hinteren Kompanien hatte Holz transportiert. Daraus baute man mehrere Türme, in dem dieses aufgeschichtet wurde, mit einem Loch in der Mitte, um die Flammen nicht zu ersticken. 


Gebrannter Wein wurde – zum Schrecken einiger Soldaten – als Anzünder genutzt. Dieser war brennbar und damit auch der stärkste Alkohol der Männer. Die meisten Soldaten bekamen nur bitteres oder dünnes Bier. 
Die Brauerei von jenem war legendär für den schlechten Geschmack, da sie auf die Produktion in Massen ausgelegt war. Dennoch war es besser als das Brunnenwasser des gemeinen Volkes. Zu viele Brunnen trugen abgestandenes Wasser in sich, welches abgekocht werden musste, um es trinkbar zu machen. Jene Opulenz konnte man sich während eines Kriegszuges nicht leisten. 


In Kesseln breit wie Wagenräder, wurde Eintopf zubereitet. Außerdem wurde Bier ausgeschenkt, welches ebenso erhitzt wurde. Er sollte die Männer wärmen und ihre Moral stärken, denn der wahrlich anstrengende Teil ihres Marsches stand noch bevor. Zudem sollten sie ihre Kleider trocknen, um nicht im Gebirge zu erfrieren. 

„Eeey, mein kleiner Freund. Setz dich zu mir!“, brüllte Belasar in Richtung des Vernarbten. Theovin aber machte nur eine abwehrende Geste und wandte sich von den Männern ab, welche um das Lagerfeuer herumsaßen. Er setzte sich auf den kühlen Erdboden und wickelte ein Fell um den ausgekühlten Körper, während ihm die Flammen den Rücken wärmten.


Der Vernarbte zog seine Hand aus einem Lederhandschuh und fuhr sich anschließend über das Gesicht. Es fühlte sich rau und kalt an, wie der eisige Atem des Todes.

Dampf drang aus seinem Rachen. Für den kurzen Augenblick, den dieser in der Luft stand, wollte der Mann etwas darin erkennen. 
Dann atmete er erneut ein und hielt die Hände vor seinen Mund, um sie wenigstens beim Ausatmen etwas zu wärmen. 
Wie jeder andere Soldat hätte er dies ebenfalls am Feuer machen können, doch da war es ihm lieber sich die Gliedmaßen abzufrieren. Flammen sollten ihm Fern bleiben. 


Sein Körper schüttelte sich mit einem Mal, als wäre er ein Pferd, welches seinen Reiter abwirft. Er wollte nicht daran denken und die Gedanken verdrängen, doch konnte er sich nicht dazu zwingen. 
Theovins Haut brannte, als hätte man Salz in eine Wunde gegeben. Er wusste nicht, ob es die Kälte war, oder er sich wieder an den Schmerz erinnerte. Die Qualen, welche man erlitt, wenn sich das Kleid der Flammen auf einen nieder legte. Die gierigen, grausamen, roten Mäuler leckten das Fleisch wie dämonische Huren mit vergifteten Zungen. 


Der Atem des gebrechlichen Mannes ging schneller und er nahm einen Schluck von dem pisswarmen Bier. Es war nicht stark genug, um betrunken zu machen oder den Schmerz zu lindern, aber es wärmte den Magen, auch wenn es nur für einen Moment war. Mit zittrigen Fingern führte er einen hölzernen Löffel zum Mund und probierte von dem Eintopf. 
Dieser bestand aus Essensresten. Gemüse, Pökelfleisch und anderes undefinierbaren Zutaten. Es war nicht gewürzt, aber nach all dem, was Theovin hinter sich hatte, schmeckte es köstlich. 


Er verbrannte sich die Zunge an einer heißen Kartoffel und hätte sie beinahe ausgespuckt. Dennoch behielt er sie drinnen. Essen zu verschwenden, konnte er sich auf keinen Fall erlauben. Wer wusste schon, wann sie die nächste Rast einlegen würden?
Langsam dämmerte es. Der Zug durch das Tal hatte einen halben Tag in Anspruch genommen und der Aufbau des Lagers bis zum Abend. Theovin kuschelte sich nahe dem Feuer in mehrere Felle. Zwar war er nicht müde, doch die Erschöpfung rang ihn schlussendlich nieder. Er wusste, dass er den Schlaf in sich aufnehmen musste, da es am nächsten Morgen früh losgehen würde. Der Marsch hinauf zum Ewigkeitsfort.

So war es immer. All die Soldaten durchzufüttern und bei Laune zu halten galt als wahre Herausforderung für die Heerführer. Daher hatte es sich als geeignete Taktik herausgestellt, die königslosen Ländereien zu plündern.
Jenes geschah ebenso im Namen der Kirche, welche die Aufständischen in dieser Region zurückhalten wollte. Theovin hatte kaum solche Widerständler gesehen, doch vermutlich ging es darum, jede mögliche Revolte im Keim zu ersticken.
Seit dem Anbruch des Fulgumen, dem friedlichsten Wintermonat, durften beinahe keine Pausen eingelegt werden, um den Verbrauch an Nahrungsmitteln möglichst gering zu halten. Das ständige Laufen lenkte zudem vom Hunger ab. 
In diesem Kriegszug galt es, den Willen der Kirche zu erfüllen, selbst wenn es Überschneidungen mit den Interessen der Machthaber gab. Mehr und mehr musste sich die Politik dem Glauben beugen, um keine Gefahr durch die einfache Bevölkerung befürchten zu müssen. 


In Zeiten der Krise neigte jene dazu, der Obrigkeit die Schuld in die Schuhe zu schieben. Der Glaube an eine höhere Macht, als Hoffnungsträger, sowie einen gemeinsamen Feind, um den versammelten Hass auf diesen zu lenken, waren perfekt um die Massen zu besänftigen. 


Infolgedessen hatte es geheißen, dass eine Armee von Dämonen sich im Norden erheben sollte. Sie würde direkt aus dem Abgrund gestiegen sein, wo selbst der Blick des Allsehenden nicht hinreicht. Die Dörfer des Nordens und tiefer gelegene Fürstentümer, waren in Gefahr. Ob Dämonen in Menschenform oder einer anderen, war bei all dem Geschwätz nicht zu erraten.
Mehrere Fürsten hatten ihre Heere daher unter der Flagge des einen Gottes vereint, um den Feind zu schlagen. Bei ihnen war sogar das Königshaus Grünzweig, wenn auch mit einem Niederrangingen Vertreter. Sie vermuteten unter der Bedrohung Plünderer von einer nord westlichen Inselgruppe, welche nur als „die Westzacken“ betitelt wurde. Barbaren, die an heidnische Naturgottheiten glaubten und als brutales und unzivilisiertes Volk galten. 


Jene zu schlagen und dafür sogar ein Bündnis eingehen zu können, schuf mit dem kollektiven Widersacher, Stabilität und Vertrauen, zwischen den Adelshäusern. Einen solchen Gegner konnten die Reiche in Zeiten der Seuchen und Trockenheit nicht gebrauchen. Zudem gab es solche, welche sich an dem fremden Volk für vergangene Angriffe rächen wollten. 
Die Armeen waren in mehrere Heere unterteilt worden, welche sich alle im Gebirge versammeln sollten, um dort eine ehemalige Festung vergangener Generationen zu bemannen. Die Berge hinter sich zu lassen, ohne diese zu passieren, war schier unmöglich. Selbst wenn ein weitläufiger Umweg gewählt werden sollte, könnte man dies vom Berg aus beobachten. Die Marschroute eines der Heere, kreuzte zudem den Schleichweg.


In der Kälte, dem Schnee und durch den Einfluss der mächtigen Westwinde, war es nicht möglich – ohne schwerwiegende Verluste – direkt über die Gebirgspässe zu gelangen. Der eine, Jahrtausende alte Weg, welcher sicher genug war, führte direkt durch die Festung. Er war vor etlichen Generationen in den Stein gehauen worden und bot durch Höhlen, auf dessen Weg, Schutz vor der Witterung. 
Bergauf gegen eine Festung zu ziehen, war eine törichte Aktion. Eine solche konnte man nur wagen, da es nicht möglich war, die Festung in ihrer Gesamtheit zu bemannen, da kein König einen Großteil seines Heeres aussenden würde. Zu groß war die Angst vor einem erneut aufflammenden Konflikt, welcher eine gewisse Truppenstärke verlangen würde.
Mit der Aussendung mehrerer kleiner Heere konnten die Fremden aus dem Norden nicht rechnen. Dem waren sich die Generäle sicher, welche die Adelshäuser berieten. 


Selbst wenn einige Männer fallen sollte, bestanden die Heere zum größten Teil aus Bauern, welche hungrig waren und Geld benötigten. Entbehrliche Kräfte. Weniger Landwirte versprachen zudem nicht zwangsläufig eine miserable Ernte. Die Felder blieben erhalten und es gab weniger Münder zu stopfen. Außerdem würde die Erde erst im Frühling wieder auftauen. Bis dahin mussten die Vorräte verspeist werden.

Die verzichtbaren Männer schliefen. Eine Nachtwache war zwar aufgestellt worden, dabei war so früh nicht mit Gegenangriffen zu rechnen. Wohl eher mit Feiglingen, die beim Anblick des Berges das Weite suchen würden. Der Feind – falls es ihn überhaupt gab – konnte es unmöglich binnen solch kurzer Zeit über das Gebirge geschafft haben. 


Nichtsdestotrotz war eine erdrückende Stimmung in der Luft zu spüren, als ob irgendetwas widernatürliches von jenen Bergen ausging. Eine Aura des Unheils, wie ein dichter Nebel, der sich über die Bergspitzen brach und in die Tiefe hinab floss. Ein unbekanntes Übel sickerte durch das Gestein, das Fundament selbst, aus dem diese Welt geschaffen war.


Die Kälte des Erdbodens, unnachgiebige Windströme, eine düstere Nacht, in der nicht ein Stern am Himmel stand. Dies waren alles Vorboten. Sie kündigten eine Tragödie an. Zumindest wenn man Bauernweisheiten Glauben schenkte.

 

Please Login in order to comment!