Schwarzblut by Barekamy | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Kapitel 11

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„Kommandant! Der Feind überfällt unser Lager!“, hallte es über den Platz, der zum dritten Mal an jenem Tage vom Schnee geräumt wurde.
In den alten Gemäuern hatte man Schippen gefunden und einige Männer damit ausgerüstet, welche sich nicht an der Suche der Abtrünnigen, beteiligt hatten.
Sie waren ursprünglich abkommandiert worden, die Feuer zu schüren und die Mauern zu bemannen, doch als der Schneefall nicht aufhören wollte, musste man die Männer, an jener Stelle einsetzten. 


Gerade noch mit genervten Blicken den Platz reinigend, ließ einer der Männer die Schippe los und sah sich hilfesuchend um. Niemand wusste sich zu helfen. Die Neuigkeit, dass der Feind eingedrungen war, schien zu unglaublich, um wahr zu sein.
Auch Enrik Grünzweig zweifelte im ersten Moment, am Ruf des angestürmten Soldaten. Zwar handelte es sich um einen gesalbten Ritter, denen er generell mehr Vertrauen schenkte, unabhängig davon fiel es ihm schwer, jenen Bericht zu glauben.
Es handelte sich nicht um ein kleines „Lager“, bestehend aus mehreren kurzfristig befestigen Zelten und halbhoher angespitzter Baumstämme, als Barrikade. Es schlenderten auch nicht einige wenige Wachen des Nachts, in vereinzelten Gruppen, um die Befestigung herum. 


Hier handelte es sich um eine strategisch nahezu perfekt positioniertes Bollwerk, mit Mauern höher als zwei übliche Burgmauern auf einander gestapelt.
Mehrere hundert Mann patrouillierten auf den Mauern sowie im Innengelände und der einzige nicht abgesicherte Bereich, lag mit dem Rücken zum Berggipfel, welchen kein Tier der Welt – und erst recht kein Hemnan – erklimmen konnte.
Wie sollte es einem Feind möglich gewesen sein, diese Verteidigung zu umgehen? Jene Frage kreiste in seinem Kopf, während er dem Unglücksbringer entgegenkam, der den gegnerischen Einmarsch gemeldet hatte.


„Wie viele sind es? An welcher Stelle konnten sie durchbrechen? Wer führt sie an?“, kam es vom Kommandanten, in einem Ton, der dem Ritter Angstschweiß auf die Stirn trieb.
„Eure ...“
„Spart euch das!“, unterbrach der Prinz die förmliche Anrede seines Gefolgsmanns. 
„Der Feind greift von den Baracken, zum Berg hin, unsere Durchsuchungseinheit an.“
Enrik wusste es genau. Es waren zwölf Männer, welche am Morgen nicht aufgefunden werden konnten. Wie sollte eine solche Minderheit, dem Trupp aus 150 Suchern, ernsthafte Probleme bereiten?
„Sind es die Deserteure?“
Der Ritter stockte für einen Augenblick. Er begann seinen nächsten Satz mit einer Unsicherheit, als würde er ihn selbst nicht glauben.
„Nein Eur.. Kommandant. Die Verräter wurden nicht gefunden. Die Männer berichten von etwas – etwas anderem.“+
„Nun sagt schon, worum es sich handelt!“, fuhr Enrik den anderen an.
„Kommandant, erlaubt mir dieser Bemerkung, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir den Berichten all zu viel Glauben schenken sollten.“
Der Prinz rechnete schon mit dem Schlimmsten. Mehrere Männer hatten sich den Deserteuren angeschlossen und begannen eine Revolte.


„Warum berichtet ihr denn dann?“, entwich es Enriks Kehle und er musste sich im Griff halten, um dem Ritter nicht einen Schlag, mit der flachen, behandschuhten Hand, ins Gesicht zu zimmern.


„Es soll schon Tote gegeben haben. Die fliehenden erzählen von Schatten, die sie angegriffen haben. Schwarze Gestalten. Dämonen.“
Der Kommandant erinnerte sich an Geschichten, welche man über so manche Völker des Nordens erzählte. Sie sollen magische Wurzeln verspeisen und wie wilde Tiere mit schäumenden Mündern zu Berserkern des Schlachtfeldes werden, welche Blut tranken, um ihren Durst zu löschen. Ob dies Geschwätz alter Waschweiber oder Propaganda einer zivilisierten Nation war, wusste er nicht einzuschätzen. Jedoch glaubte er nicht an Geschichten jener Art. Kein Hemnan, konnte zu einem Dämon werden.


„Ist das alles, was wir wissen?“ , erkundigte er sich gefasster.
„Ja Kommandant“, antworte der Ritter nach einer langen Pause, als hätte er noch etwas anderes zu berichten. 
Enrik nickte. Er erkannte in den Gesichtern der Umstehenden, die Hilflosigkeit. Sie waren überfordert mit der Lage und benötigten einen Anführer, der klare Befehle gab. 
„Schützen!“, schrie der Prinz zur Mauer empor. „Sammelt die Männer am Tor. Ich will Bogenschützen und Arbalisten zu beiden Seiten auf der Mauer!“


Dann wendete er sich zu den Soldaten, welche den Platz geschippt und das Feuer geschürt hatten. 
„Alle Ritter zu mir. Jeder Mann mit einem Schild bildet ab dem Brunnen eine Linie. Alle mit einem Speer stellen sich dahinter auf. Männer mit Schwertern und anderen Waffen bilden die dritte Reihe.“


Die Soldaten taten wie ihnen befohlen. Mickrige fünf Ritter fanden sich. Die restlichen 24 mussten irgendwo auf dem Innenhof der Festung versammelt sein. Als seine am besten ausgebildeten und bewaffneten Soldaten, musste ihr Kommandant sich unverzüglich mit ihnen versammeln. 


Der Prinz schwang sich auf eines der Pferde, welche in den Ruinen der Reiterkaserne angebunden worden waren. Seine Begleiter taten es ihm gleich. Sein grüner Umhang und die weißen Mäntel der gesalbten Ritter, flatterten im Wind. 
Gemeinschaftlich ritten sie am Brunnen vorbei in Richtung der verfallenen Gebäude, während der Himmel über ihnen aufklarte. Enrik konnte sich nicht ausmahlen, welche Streitmacht jene Festung einst bemannt hatte.


Während er auf dem Ross in Richtung der steinernen Gebäude galoppierte, kam er sich zum ersten Mal – in seiner Karriere – wie ein anständiger Kommandant vor. Er brauchte sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass seinen Befehlen folge geleistet wurde.
Als er von Tatendrang, Neugierde und dem Kampfesrausch beflügelt an zwei turmhohen Gebäuden vorbeiritt, brach ihm die Natur mit all ihrer Gewalt die Schwingen. Der Wind fegte ihn beinahe aus dem Sattel. Sein Gaul wieherte und warf ihn ab.
Unsanft kam er auf dem Boden auf, welcher nur von einer dünnen Schicht Schnee bedeckt war. Die anderen Pferde reagierten ähnlich. Eines floh mitsamt dem Reiter, ein Weiteres warf seinen ab und die drei übrigen waren hinter dem Stein in Deckung gegangen. 
Übergangslos fegten Sturmböen durch die Gassen und Wege, zwischen den Bauten, als hätte der Himmel seinen Zorn auf die Erde entfacht. Der Kommandant kämpfte sich auf dem Boden vorwärts. In der Hocke gelangte er so hinter eine windsichere Fassade. Von dort aus winkte er den Gesalbten zu.


Der Wind verursachte einen ohrenbetäubenden Lärm, welcher es ihm nicht erlaubte zu ihnen zu sprechen. 
Die Ritter verstanden seine Handzeichen. Von Deckung zu Deckung rückten sie vor, stets wachsam und bereit für den feindlichen Angriff.


Der Kommandant begleitete sie und war vollends fokussiert auf die Situation. Als würde er versuchen, in Honig zu schwimmen, zwang er sich gegen die Luftströme. Ein Gedanke beschäftigte ihn dabei.


Mochte es ein Zufall sein, dass der Angriff genau jetzt erfolgte? Doch woher hätte der Gegner von einem aufkommenden Sturm wissen sollen? Da blickte er in den Himmel und fand seine Antwort. Ein Meer aus Blau erstrecke sich über ihren Köpfen.

 

 

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