Schwarzblut by Barekamy | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Kapitel 18

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Das Lagerfeuer vor ihnen, war mittlerweile heruntergebrannt. Die Diener legten die metallenen Gefäße an den Rand, neben die Glut. Ihr Priester starrte das verkohlte Holz an. Jedes Mal, wenn ein Windzug über die, im Kreis um das Feuer aufgestellten, Steine fegte, loderte es auf.


„Holt sie heraus.“


Die Diener folgten. Jeder von ihnen nahm einen Stab in die Hand, an dem eine Kette befestigt war, an welcher wiederum das metallene Gefäß hing. Die Jünger nannten es den „Kelch“, selbst wenn es mehr nach einer Schüssel aussah, auf die ein Sieb gelegt worden war.
Während der Priester undeutlich ein Gebet sprach, schwenkten die Mönche die bronzenen Kelche, wodurch sich Tropfen aus diesen lösten und durch das dünne Gitter zu einem feinen Staub wurden, der auf die Erde niederging. 


Eine Duftnote exotischer Kräuter und Öle stieg auf, welche dem Wasser beigemischt worden waren. Nur Priester der zweiten oder höheren Stufe wussten, wie man das heilige Wasser anfertigte, damit es jenen wohlriechenden Geruch entfaltete.


Andächtig streiften die Kleriker durch den zur Hälfte leer stehenden Hof und arbeiteten sich dabei in Bahnen vorwärts. Als sie bei den ersten Soldaten angekommen waren, welche stillschweigend in die Dunkelheit blickten, schritten sie durch die Reihen zwischen diesen. Manche der Männer waren so angespannt, dass sie den Zug der Jünger erst wahrnahmen, als ihnen das Wasser auf die Schuhe rieselte.


„Möge er seinen Blick nicht abwenden und uns beistehen. Möge er seinen Blick nicht abwenden und uns beistehen.“


Diesen Satz wiederholte der Namenlose immer wieder. Er beachtete dabei nicht, ob er die Soldaten entspannte, störte oder gar wütend werden ließ und schritt an ihnen vorbei, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.


Desto näher er den vorderen Reihen kam, je mehr Furcht staute sich in ihm auf. Bis dorthin war er von Männern, Licht und Waffen umgeben. Danach folgte nur die unergründliche Dunkelheit. Durch den Schein der Fackeln war es möglich wenige Schritte weit zu sehen, dann erkannte man nichts mehr.


Der Mond, welcher bis eben die Nacht erleuchtet hatte, versteckte sich hinter einem nicht enden wollenden Meer aus Wolken. Der Priester schwitzte, während er zugleich fror. Er konnte nicht umkehren. Wie sollte er die Demütigung ertragen, welche ihm dann anheimfallen würde?
Im Nacken spürte er die erwartungsvollen Minen seiner Diener und vor ihm erwarte ihn die vorderste Reihe der Soldaten. Männer mit Schildern und Fackeln, welche vor einer Linie aus ausgekipptem Pech standen.


Der Tatendrang in Geiste des Priesters und die Energie in seinen Knochen verließen ihn so schlagartig, wie sie gekommen waren. Von einem auf den anderen Moment fühlte er sich nicht mehr geschützt und behütet. Wer konnte schon ahnen, was vor ihm in der Dunkelheit der Nacht lauerte?


Es war so rasch düster geworden, dass er es zuerst gar nicht bemerkt hatte. Weiterhin schritt er vorwärts. Getrieben von dem Gedanken der allgemeinen Ächtung. Er konnte die Aussicht nicht ertragen, dass andere auf ihn herabsahen. Nicht, nachdem er sich all dies erarbeitet hatte.


Mit großen Schritten ging er an der vordersten Reihe vorbei und sprach sein Gebet. Hinter ihm rasselten die Ketten. Seine Kehle schmerzte, als schien er verlernt zu haben, wie man atmet. Das Gebet sprach er leiser als zuvor, da er dank der Kälte zu stottern begonnen hatte.
Dabei war es die Furcht, die ihn beinahe zu Boden sinken ließ. Sie hielt ihn fest im Griff und quetschte ihn aus, wie eine Zitrusfrucht.
Warum sollte gerade jetzt etwas passieren? Die Zeit davor war nichts geschehen. Es wäre ein Zufall, wenn genau als er in vorderster Reihe stand, die Kreaturen angreifen würden.


Im Kopf zählte er die Soldaten, die vor ihm lagen. Fünf, vier, drei. Jeden Moment würde er abbiegen, wieder zurück in die Sicherheit. Hinter die Männer, welche ihre Leben dem Kampf verschrieben hatten.
Wäre sein Blick ein einziges Mal zu seiner Rechten geschweift, hätte er es gesehen: die schweißdurchnässten Gesichter und weit aufgerissenen Augen.


Sein Herz schlug so schnell, dass er kurz davor stand, zwischen einem der Soldaten hindurch zu rennen. Während er den rechten Fuß zur Seite setzte, fiel die Last von ihm ab. Es war geschafft. Vor sich sah er den geraden Weg, welchen er zurückgehen würde.
Ein Raunen ging durch die Menge. Er stoppte. Nicht etwa weil er wollte, sondern weil er sich vor Schock nicht bewegen konnte. Rüstungen klapperten. Die Soldaten traten von einem Fuß auf den anderen.


„ANLEGEEEN!“, brüllte eine vertraute Stimme.


Als der Priester zur Mauer aufsah, welche sich über dem Tor befand, stieg Wut in ihm auf. Dort stand der Kommandant. In sicherem Abstand zum Geschehen.


Der Namenlose konnte nicht wissen, wieso dies der Fall war. Enrik hatte sich mit einigen Schützen auf die Mauer begeben, um hörbare Kommandos zu erteilen, aber ebenso aus einem anderen Grund. Er wollte die Soldaten vor dem Rückzug hindern.
Sollte erst einer von ihnen auf das Tor zustürmen, wäre alles verloren. Vor lauter Panik und Verwirrung, könnten die hinteren Männer versuchen zu entkommen, während die vorderen niedergemetzelt würden.


„HAAALTEEEN“


So langsam wie der Mond sich über den Himmel bewegte, wagte es der Priester, sich umzudrehen. Erst erkannte er nichts, dann wurde ihm mit einem Mal warm um die Beine.


Das flackernde Licht der Fackeln spiegelte sich an einer Masse, welche eine abscheuliche Verzerrung eines Hemnan darstellte. Löcher im Körper, gewundene und widernatürlich geformte Gliedmaßen und Klingen wie Speere, die aus all dem hervorstachen.
Eine der Kreaturen sah dem Priester in die Augen, ohne selbst solche zu besitzen. Ein mitternachtsschwarzer Faden löste sich von der sonderbaren Fratze und gab den Schlund eines Dämonen frei.
Dem Namenlosen fiel auf, dass er sich eingepisst hatte.


Wie Spinnen standen sie still da. Dann näherten sie sich schlagartig. Keine Schritte waren zu hören. Sie flossen über den Stein.
Der Priester stolperte zurück, fiel zu Boden und richtete sich wieder auf, rempelte einen Soldaten an, dann viele weitere und schlussendlich humpelte er so lange, bis er vornüber im Schnee landete.


„FEEEEUUUUEEEERRR“

 

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