Schwarzblut by Barekamy | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Kapitel 19

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Brennende Pfeile segelten auf die Kreaturen nieder. Der Geruch nach Kräutern und Ölen wurde verdrängt durch einen stechenden Gestank. Es zischte laut.
Die Wesen rückten weiter vorwärts.
 
„ENTZÜNDEN“
 
Die vorderste Reihe schwenkte ihre Fackeln in das Pech. Einer der Soldaten lies die seine vor Angst fallen, hob sie wieder auf und warf sie. Der Lichtschein versank in der nähernden Dunkelheit.
Während die Ocuri in die Flammen wandelten, rückte die zweite Reihe mit ihren Speeren vor. Sie legten die Stangenwaffen auf den Schilden der Vorderen ab und stachen ins Nichts.
 
Arbalisten verschossen brennende Bolzen von der seitlichen Mauer und einem Turm, welcher auf der linken Seite des Hauptlagers lag. Die Bogenschützen hatten ihr Feuer eingestellt, um nicht die eigenen Männer zu treffen.
Die schwarzen Massen wandten sich in den Flammen und zuckten wie zappelnde Fische. Die ersten Speere bohrten sich in ihre Körper.
Schlagartig gingen all die Kreaturen zu Boden und wurden zu einer einzigen Pfütze. Es herrschte einen Herzschlag lang Ruhe. Dann johlten die Soldaten. Sie hoben ihre Waffen und brüllten in die stille Nacht hinein, nur begleitet vom Lodern der Flammen.
Die Flüssigkeit zog sich auf dem Steinboden zurück, bis sie nicht mehr durch das Leuchten zu erkennen war. Etwas in Enrik zweifelte daran, dass es vorbei war.
 
Er sah auf zum Mond, der wieder heller wurde. Ein kühler Windhauch ließ den grünen Mantel wehen. Die letzte Wolke verzog sich und damit trafen die Strahlen des Mondlichts ein. Sie ermöglichten ein Bild, welches den Soldaten in der ersten Reihe einen Schauer über den Rücken jagte.
 
Entlang des Turms und der Mauer zog sich eine dunkle Masse, welche durch das blau-weiße Licht erkenntlich wurde. Sie schwappte an den Flammen vorbei und erklomm ebenso die Gebäude. Statt sich wieder zu verformen, floss sie auf die Männer zu, welche schreiend das Weite suchten.
 
Hemnan kippten über andere, liefen sich in die Klingen, rempelten sich an und rissen sich zu Boden. Ein Balg aus Rufenden und um sich Schlagenden bildete sich. Die Kleineren unter ihnen wurden zertrampelt.
Der Prinz stand nur da und ließ es passieren. Noch nie war eine Schlachtordnung in solch kurzer Zeit eingerissen worden. Er erkannte, dass er sich mit einem unbesiegbaren Feind angelegt hatte.
 
Die Schwärze tränkte die Männer und floss ihnen, zu Mündern, Ohren und Nasen in den Kopf hinein. Sie versuchten sie auszuspucken, weg zu schütteln, doch ohne Erfolg.
Wie Betrunkene stolperten sie, während ihre Körper sich wanden. Sie erstickten an einem Schwall aus Blut.
„Feuer“, befahl der Kommandant.
 
Ein Regen aus Pfeilen ging über Lebende und Sterbende nieder. Die Armbrustschützen auf der seitlichen Mauer und dem Turm gaben keine Schüsse ab.
Die Kleidung mancher Soldaten stand in Flammen. Die Dummen rannten, die Klügeren rollten sich auf dem Boden ab, die meisten verendeten kläglich. Ein Mann versuchte, sich die Haare abzuschneiden, welche zu brennen begonnen hatten, doch seine Klinge war zu stumpf. 
 
Geschrei ertönte über den ganzen Hof, als der erste Mann das Tor erreicht hatte. Ein anderer erklommen die Mauer. Auf den Treppenstufen gab es nur Platz für einen Soldaten, weshalb sie leicht zu verteidigen waren.
Diesem Vorteil war sich Enrik bewusst. Er zog sein Bastardschwert, hielt es in beiden Händen und Schritt die Stufen nach unten. Die meisten Soldaten waren ungeübt im Umgang mit dem Schwert. Dahe benötigte es für den Prinzen nur einen Streich, um seinem Kontrahenten die Brust aufzuschneiden. Mit einem Tritt beförderte er diesen von der Mauer.
Es sollte abschreckend wirken und andere vor dem bloßen Versuch abhalten. Er beugte sich zum Rand, von dem aus es eine Strecke in die Tiefe ging, bei welcher die Hälfte tödlich enden würde. Durch den Mondschein erkannte er seine Soldaten. Wie Vieh waren sie zusammengekarrt. Diese Festung würde ihre Schlachtbank sein.
Der Prinz wollte das nicht zulassen. Da das Tor sich nur durch Gewichte öffnen ließ, welche von Eisenketten abgelassen wurden, musste man dies von der Mauer aus tun.
 
„ÖFFNET DAS TOR“, brüllte er hinauf zu den Bogenschützen.
In Eile würden die Soldaten den Abstieg niemals überleben. Dazu hatte es erst frisch geschneit und war nur geringfügig wärmer als am vorherigen Tag. Zwar war der Wind gnädig, aber ohne Verpflegung und Ordnung, würde es keinem von ihnen gelingen, unbeschadet im Tal anzukommen. Vor allem nicht wenn es schnell gehen sollte.
Trotz alle dem hatte er den Befehl gegeben. Er wollte, dass sie ihren Tod frei wählen konnten. Sie sollten nicht zugrunde gehen, wie all die anderen.
 
Ein Gedränge entstand in den Reihen, da sich das Tor nach innen öffnete. Wie Ratten stürmten die Männer, durch den größer werdenden Schlitz, ins Freie.
Sie waren nicht für den Krieg gemacht. Das Volk wurde aus gutem Grund von ausgebildeten Soldaten geschützt. Enrik verfluchte die Zeiten, in denen die Bürger sich selbst verteidigen musste. Dabei taten sie das, in diesem Fall, nicht mal. Die Männer kämpften für nichts.
 
Der Prinz hatte den Glauben an ihre Mission verloren. Die angepriesene Verstärkung meldete sich nicht und von einem Feind aus dem Norden war ebenso keine Spur. Er glaubte daran, dass er sich die Entsendung des Heers schön geredet hatte.
All die Verluste. Wofür? Um die älteste Festung seit dem Entstehen der Zivilisation zu bemannen? Zudem hätte ihm der vermeintliche Feind verdächtig vorkommen sollen.
Wann immer ein Sündenbock gesucht werden musste, waren es die Barbaren, welche sich einer Kolonialisierung stellten. Verglichen mit dem, was er auf seinem Kriegszug getan und angeordnet hatte, schienen die Nordmänner wie scheue Kätzchen. Ein im Exil lebendes Volk, welches wusste sich zu verteidigen. Nichts weiter waren sie in seinen Augen.
 
Wenn er raten dürfte, vermutete er einen Komplott hinter alle dem. Ob die Kirche des Allsehenden oder sein eigenes Königshaus die Finger im Spiel hatte, konnte er nicht abschätzen. Vermutlich lag die Wahrheit irgendwo dazwischen. Es war detailliert geplant worden und das übergeordnete Ziel jener Täuschung war so ekelhaft, dass er jeden Gedanken daran vergessen wollte.
Das Volk hungerte. Es war nahe einer Rebellion. Bis neues Ackerland erschlossen und bebaut wurde, könnte es bereits zu spät sein. Wenn es nicht gelang, mehr Nahrung zu gewinnen, um die hungrigen Mäuler zu stopfen, musste man eben die Anzahl der Bürger minimieren.
 
Es war kein gewagter Spielzug. Die Kinder und Frauen stellten die nächste Generation dar und die Wahrscheinlichkeit eines Aufstandes galt zudem als geringer. Nur ein Feind und eine Motivation waren nötig und dann war es ein leichtes, eine mangelhaft ausgerüstete Streitmacht in ein den Tod verheißendes Gebiet zu schicken.
Enrik dachte an die warmen Mahlzeiten aus Abfallprodukten, wenigen Goldmünzen, ausgediente Ausrüstung, geringe Menge an Rittern und den einen Priester mit seinem Gefolge. Das verglichen mit all den Kosten, welche die Staatskasse hätte auf sich nehmen müssen, um in diesen beschwerlichen Zeiten für eine Versorgung von Nahrungsmitteln zu sorgen.
Er war ein Rattenfänger für Todgeweihte geworden.
 
Der Kommandant wandte sich dem Massaker zu, welches das Ergebnis der politischen Spielereien darstelle. Eine Tragödie von vielen. Sie würde es nicht mal in die Werke der Geschichtsschreiber schaffen. Der Frost und die Abscheu ließen ihn schlottern.
Etwas bewegte sich. Aus den Leichenbergen stieg die dunkle Masse, Unheil verheißend, empor. Das Blut der Gefallenen schuf neue Ocuri.
 
Vorsichtig stieg der Kommandant die Stufen nach oben, um nicht abzurutschen.
„Habt ihr noch Pfeile?“, richtete er sich an die Bogenschützen, welche ihn mit verstörten Minen anstarrten.
Keiner antwortete, einer nickte. Dieser Schütze deutete auf einen Korb, in dem nur zwei Dutzend Pfeile lagen. Die Köcher der Soldaten waren leer.
 
„Ihr habt jetzt die Chance zu Helden zu werden“, richtete der Prinz seine Worte an die Schützen.
„Ich gebe euch die Möglichkeit, auf der Stelle, mit den anderen zu fliehen. Mit etwas Glück schafft ihr es bis ins Tal. Aber damit sie es schaffen, werden manche von euch“, er sah jedem der Schützen einzeln ins Gesicht, „ihnen Deckung geben müssen. Erkauft euren Männern die Zeit, die sie benötigen.“ 
 
Nachdem die Soldaten ihn erneut mit Schweigen straften, wiederholte er, „Ich brauche jetzt eine Entscheidung“.
Einer der Männer brach in Tränen aus und ging auf die Knie. 
„Ich habe Frau und Kinder Zuhause.“
 
Mit diesen Worten legte er den Bogen nieder und ging mit gesenktem Kopf, die Treppen hinunter. Sieben weitere folgten ihm.
Enrik blickte auf zu den verbliebenen Schützen. Es waren drei. Zwei Gesalbte und – zu seiner Überraschung – ein einfacher Soldat.
Abseits der gesalbten Ritter, gab es ebenso Bogenschützen, welche sich ihrem Glauben verschrieben hatten. Selbst wenn Enrik kein Anhänger der Kirche war, musste dieser, die Männer für ihre Tapferkeit und ihren Mut bewundern.
Weitaus mehr Respekt zollte er dem Schützen, der selbst nur ein angeheuerter Bürger sein konnte. Den Fähigkeiten zumute ein Jägersmann.
 
Enrik zog sein Schwert, kniete sich hin und legte die Klinge auf sein Standbein. Er nahm einen der Wickel, die um die Pfeilspitzen gebunden wurden und tauchte jenen in den Tontopf voller Pech. An den Außenwänden war eine verbliebene Menge von diesem zu finden.
 
Er rieb das Stück Stoff auf beiden Seiten an sein Schwert. Balsamierte das Metall damit ein. 
Zeitgleich schossen die Schützen weiter.
 
Enrik erhob sich und hielt sein Schwert an eine Fackel. Die Flammen zügelten über die Klinge und er spürte selbst unter den Handschuhen, wie das Metall über der Parierstange heiß wurde.
 
Er begutachtete sein Werk und wandte sich den Stufen zu. Einen Fuß vor den anderen setzend, ging er der Dunkelheit entgegen. Gern hätte er in den letzten Momenten an seine Geschwister oder Eltern gedacht, an das bildhübsche Mädchen vom großen Platz oder den Zauberkünstler, mit welchem er an so manchen Tagen die ein oder andere Goldmünze auf den Kopf gehauen hatte. 
 
Stattdessen dachte er nur an die Kälte und daran, dass er für eine Ewigkeit nichts anderes mehr spüren würde. Unter ihm zeigte sich ein Wesen, welches sich Enrik nicht in seinen kühnsten Albträumen hätte vorstellen können. Es stank bestialisch, nach Niedergang, verfaulten Körpern und vergifteten Seelen. Enrik holte aus.

 

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